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Campenhausen, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1952, 4. Abhandlung): Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab — Heidelberg, 1952

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https://doi.org/10.11588/diglit.42315#0031
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Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab

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gewütet haben“, d. h. an die Juden101: ,,Da ist er, . . .der Sohn des
Zimmermanns oder der Dirne“ — auch dies eine alte jüdische Ver-
leumdung —, ,,der Sabbatschänder, Samariter und Besessene! Da
ist er, den ihr Judas abgekauft habt, er ist es, der mit Rohr und
Faustschlägen geprügelt, mit Speichel beschmutzt, mit Galle und
Essig getränkt wurde! Da ist er, den seine Schüler heimlich entwen-
det haben, damit man sagen könne, er sei auferstanden, den der
Gärtner beiseitegebracht hat, damit die vielen Besucher seine Sa-
latpflanzen nicht beschädigten!“102.
Diese letzte, sozusagen ganz harmlos-zufällige Erklärung des
Verschwindens ist im Altertum m. W. sonst nirgends bezeugt103.
Von dem absichtsvollen Beiseitebringen des Leichnams durch Juda
den Gärtner — womit in Wirklichkeit Judas Ischarioth gemeint
ist104 — scheint diese frühe Fassung der Tendenzlegende noch nichts
zu wissen. Aber sie kann auch nicht erst durch das Johannes-
Evangelium hervorgerufen sein105 — dessen christliche Auflösung
des Rätsels wird in dieser Form ja noch gar nicht widerlegt —, son-
dern Johannes setzt bereits eine entsprechende polemische Dar-
stellung voraus, der er seinerseits begegnen möchte106. Es ist dabei
wohl zu beachten, daß es sich nicht mehr einfach um eine Wieder-
holung der gehässigen Verleumdung handelt, mit der es Matthäus
zu tun hatte. Nicht die Jünger haben den Leichnam gestohlen,
101 Es ist gegen die Zweifel von KRAUSS S. 3 eindeutig klar, daß im folgenden
nicht Heiden, sondern die Juden gemeint sind; vgl. besonders: hic est quem a Iuda
redemistis (u. Anm. 102).
102 Tert., spect. 30 Reifferscheid- Wissowa 29, 13: hic est ille, dicam, fabri aut
quaestuariae filius, sabbati destructor, Samarites et daemonium habens; hic est
quem a Iuda redemistis, hic est ille harundine et colaphis diuerberatus, sputamentis
dedecoratus, feile et aceto potatus; hic est, quem clam discentes subripuerunt, ut
surrexisse dicatur, hortulanus detraxit, ne lactucae suae frequentia commeantium
adlaederentur.
103 Doch scheint sie auch Hrabanus Maurus zu kennen, wenn er die Beisetzung
Jesu in einem Garten voller Kohlpflanzen (in quodam horto caulibus pleno) als
jüdische Überlieferung erwähnt: KRAUSS S. 13.
104 S. Krauss, Neuere Ansichten über „Tholdoth Jeschu“, Monatsschr. Gesch.
u. Wissensch. Judent. 76 (1932) 595ff.
105 Dies vermutet W. Bauer S. 483.
i°6 Vielleicht hatte auch seine christliche Antwort bereits Vorgänger gehabt.
Darauf könnte insbesondere der Plural Joh. 20, 2 weisen, der im Munde Maria
Magdalenas, die bei Johannes als einzige Frau zum Grabe kommt, nicht recht zu
passen scheint. Aber es gibt auch sprachliche Analogien für diese Redeform, durch
die die Rekonstruktion einer älteren Quelle auf solchem Wege wieder recht fraglich
wird; vgl. Bultmann, Johannes S. 530 Anm. 3.
 
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