Metadaten

Campenhausen, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1952, 4. Abhandlung): Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab — Heidelberg, 1952

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42315#0032
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
32

Hans Frhr. v. Campenhausen

sondern das vermeintliche Wunder ist durch denkbar natürliche
und banale Umstände zustande gekonmen, und die Jünger haben
das bloß nicht gemerkt. Die unwahrscheinliche Annahme, die gläu-
bigen, opferbereiten Führer der ersten Gemeinde seien gemeine
Gaukler und Gauner gewesen, ist hier also preisgegeben. Sie stirbt
darum freilich nicht ah107. Aber es ist klar, daß die Abwehr der
christlichen Verkündigung in dieser Form viel mehr Aussicht hatte,
ernstgenommen und geglaubt zu werden. So ist es auch kein Zu-
fall, daß sie in der späteren jüdischen Polemik die direkte Anklage
gegen die Jünger als Leichenräuber und Lügner verdrängt hat. In
dieser zweiten Form wird die Erklärung des leeren Grabes von jü-
dischen Gelehrten z. T. noch heute versucht108. Die Apostel und
die ersten Christen waren also keine Betrüger, sondern leichtgläu-
bige, unvorsichtige Toren, die einer Täuschung zum Opfer gefallen
sind. Auf dieser Stufe der Auseinandersetzung ist eine Abwehr,
wie sie Matthäus bringt, offenbar nicht mehr zu gebrauchen, und
so erscheint die Grabesgeschichte bei Johannes gegen die neue
Form der Verdächtigung in einer entsprechend veränderten, neuen
Gestalt. Von dem vorausgesetzten, angeblichen Irrtum, heißt es
jetzt, kann nach Lage der Dinge nicht die Rede sein. Die Jünger
haben sich an Ort und Stelle davon überzeugt, daß ein Leichenraub
gar nicht in Betracht kommen konnte. Selbstverständlich hatten
auch sie, hatte vor allem Maria Magdalena angesichts des leeren
Grabes zunächst einen derartigen Verdacht geschöpft; sie gingen
ihm nach, und Maria Magdalena wollte ihn lange nicht fahren las-
sen109. Aber der unmittelbare Augenschein, d. h. nicht nur die La-
107 Justin, dial. 108, 2 setzt sie nach Matthäus voraus; auch Tertullian stellt in
der angeführten Stelle beide Fassungen der Anklage nebeneinander. Der Jude des
Kelsos bei Orig. Cels. II 55 scheint die Jünger nicht mehr als Leichenräuber, aber
als Opfer einer Täuschung und zugleich als Schwindler anzusehen.
tos Vgl. z. B. Jos. Klausner, Jesus of Nazareth. His Life, Times and Teaching
(1929) 357: We must assume that the owner of tlie tomb, Joseph of Arimathia,
thouglit it unfitting that one who liad been crucified should rernain in his own
ancestral tomb“. Ähnliches hatten freilich auch Heinrich-Julius wie Oskar
FIoltzmann erwogen; vgl. H. J. FIoltzmann, Kommentar zu den Synoptikern
(190P) 105 u. ö.; 0. FIoltzmann, Das Leben Jesu (1901) 392f. Nach P. Deussen,
Die Philosophie der Bibel (1913) 226f. müßten jedenfalls „einige oder mindestens
einer“ der Jünger gewußt haben, wo der Leichnam Jesu in Wirklichkeit geblieben
war, und ihr Schweigen bedeutete daher eine „kleine pia fraus, an welcher, wie es
scheint, nicht vorbeizukommen ist“.
i°9 Vgl. Joh. Chrysost., hom. Job. 85 (84), 4: όρας, πώς ούδέπω περί άναστάσεως
ήδει τι σαφές, άλλ’ ωετο μετά-9-εσιν γεγενήσ-9-αι τοΰ σώματος καί άπλάστως πάντα
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften