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Hans Frhr. v. Campenhausen
logetik zur Seite, die ansatzweise schon im Petrusevangelium142 und
hei Justin dem Märtyrer143 auftaucht, in ihrer vollen Entfaltung
aber gleichfalls erst modern ist und in den kanonischen Evangelien
seihst wiederum keinerlei Stütze findet: die Legende, daß die Jün-
ger nach dem Tode Jesu, endgültig verzweifelt, allem Früheren ein-
fach den Rücken gekehrt hätten und so an ihr Tagewerk zurückge-
kehrt seien. Ihre Eloffnungen hatten sich eben nicht erfüllt und so-
mit scheinbar endgültig als Illusion erwiesen. Dieses düstere Bild
ihres resignierten Zustands ergibt nämlich die willkommene Folie
für eine ganz plötzliche, wunderbare und befreiende Wendung, die,
wie man meint, dann nur durch die Begegnung mit dem Auf-
erstandenen selbst noch bewirkt werden konnte als ein schlechter-
dings unbegreifliches und psychologisch völlig unerwartet ein-
tretendes, neues Ereignis.
Allein eine solche Vorstellung vom Gang der Dinge ist, schon
nach ganz allgemeinen Gesichtspunkten geurteilt, nicht eben wahr-
scheinlich. Schließlich kann der Tod Jesu für seine engeren Gefähr-
ten nicht gänzlich überraschend hereingebrochen sein. Man kann
die später redigierten Leidensweissagungen als reine vaticinia ex
eventu natürlich ausscheiden und kann annehmen, die Jünger hät-
ten sich heim Einzug in Jerusalem noch in den kühnsten apokalyp-
tischen Erwartungen gewiegt und von unmittelbar bevorstehenden
Triumphen geträumt. Aber In den folgenden Tagen, da sich das
Gewitter zusammenzog, müssen, sollte man meinen, doch auch sie
etwas davon gespürt haben, was sich vorbereitete, und müssen es
doch auch empfunden haben, daß Jesus selbst der Katastrophe
nicht ausweichen wollte, ihr vielmehr — dies darf man wohl vor-
aussetzen — bewußt entgegenging. Spätestens bei der Feier des
Abendmahls, mag sie im einzelnen noch so dunkel bleiben, müssen
142 U. Anm. 146. Doch ist auch hier vorausgesetzt und sogar ausdrücklich ge-
sagt, daß die Jünger zunächst in Jerusalem blieben, bis daß das Fest zu Ende war:
Ev. Pt. XIV 58.
143 Just. apol. I 50, 12: μετά ουν το σταυρω-9-ήναι αύτόν καί οί γνώριμοι αύτοΰ
πάντες άπέστησαν άρνησάμενοι αύτον; dial. 53, 5: μετά γάρ το σταυρω-9-ήναι αύτόν
οί σύν αύτώ δντες μα-Τηταί αύτοΰ διεσκεδάσ&ησαν, in Erfüllung der Weissagung
Sach. 13, 7; dial. 106, 1: [οί άπόστολοι] μετά τό άναστήναι αύτόν έκ νεκρών καί
πεισθ-ήναι ύπ’ αύτοΰ... μετενόησαν επί τώ άφίστασθαι αύτοΰ, δτε έσταυρώθ-η...
Im Grunde steht auch hier sachlich nicht mehr drin als in den entsprechenden Stel-
len der Evangelien. Trotzdem werden diese Worte — neben der Emmausgeschichte
und Joh. 21 — neuerdings von H.-W. Bartsch, Parusieerwartung und Osterbot-
schaft, Ev. Theo!. 7 (1947/48) 128 wieder als Zeugnisse der vermeintlichen Jünger-
flucht nach Galiläa verstanden.
Hans Frhr. v. Campenhausen
logetik zur Seite, die ansatzweise schon im Petrusevangelium142 und
hei Justin dem Märtyrer143 auftaucht, in ihrer vollen Entfaltung
aber gleichfalls erst modern ist und in den kanonischen Evangelien
seihst wiederum keinerlei Stütze findet: die Legende, daß die Jün-
ger nach dem Tode Jesu, endgültig verzweifelt, allem Früheren ein-
fach den Rücken gekehrt hätten und so an ihr Tagewerk zurückge-
kehrt seien. Ihre Eloffnungen hatten sich eben nicht erfüllt und so-
mit scheinbar endgültig als Illusion erwiesen. Dieses düstere Bild
ihres resignierten Zustands ergibt nämlich die willkommene Folie
für eine ganz plötzliche, wunderbare und befreiende Wendung, die,
wie man meint, dann nur durch die Begegnung mit dem Auf-
erstandenen selbst noch bewirkt werden konnte als ein schlechter-
dings unbegreifliches und psychologisch völlig unerwartet ein-
tretendes, neues Ereignis.
Allein eine solche Vorstellung vom Gang der Dinge ist, schon
nach ganz allgemeinen Gesichtspunkten geurteilt, nicht eben wahr-
scheinlich. Schließlich kann der Tod Jesu für seine engeren Gefähr-
ten nicht gänzlich überraschend hereingebrochen sein. Man kann
die später redigierten Leidensweissagungen als reine vaticinia ex
eventu natürlich ausscheiden und kann annehmen, die Jünger hät-
ten sich heim Einzug in Jerusalem noch in den kühnsten apokalyp-
tischen Erwartungen gewiegt und von unmittelbar bevorstehenden
Triumphen geträumt. Aber In den folgenden Tagen, da sich das
Gewitter zusammenzog, müssen, sollte man meinen, doch auch sie
etwas davon gespürt haben, was sich vorbereitete, und müssen es
doch auch empfunden haben, daß Jesus selbst der Katastrophe
nicht ausweichen wollte, ihr vielmehr — dies darf man wohl vor-
aussetzen — bewußt entgegenging. Spätestens bei der Feier des
Abendmahls, mag sie im einzelnen noch so dunkel bleiben, müssen
142 U. Anm. 146. Doch ist auch hier vorausgesetzt und sogar ausdrücklich ge-
sagt, daß die Jünger zunächst in Jerusalem blieben, bis daß das Fest zu Ende war:
Ev. Pt. XIV 58.
143 Just. apol. I 50, 12: μετά ουν το σταυρω-9-ήναι αύτόν καί οί γνώριμοι αύτοΰ
πάντες άπέστησαν άρνησάμενοι αύτον; dial. 53, 5: μετά γάρ το σταυρω-9-ήναι αύτόν
οί σύν αύτώ δντες μα-Τηταί αύτοΰ διεσκεδάσ&ησαν, in Erfüllung der Weissagung
Sach. 13, 7; dial. 106, 1: [οί άπόστολοι] μετά τό άναστήναι αύτόν έκ νεκρών καί
πεισθ-ήναι ύπ’ αύτοΰ... μετενόησαν επί τώ άφίστασθαι αύτοΰ, δτε έσταυρώθ-η...
Im Grunde steht auch hier sachlich nicht mehr drin als in den entsprechenden Stel-
len der Evangelien. Trotzdem werden diese Worte — neben der Emmausgeschichte
und Joh. 21 — neuerdings von H.-W. Bartsch, Parusieerwartung und Osterbot-
schaft, Ev. Theo!. 7 (1947/48) 128 wieder als Zeugnisse der vermeintlichen Jünger-
flucht nach Galiläa verstanden.