Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab
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sie gemerkt haben, was hevorstand. Das zeigt in gewisser Weise
auch die Geschichte von der Verleugnung des Petrus, die zu ver-
werfen kein Grund besteht144. Petrus macht denVersuch, auch dem
bedrohten und überwundenen Meister noch treu zu bleiben, gibt
ihn also auch jetzt noch nicht völlig preis145. Kann man sich’s un-
ter diesen Umständen vorstellen, daß er und alle andern Jünger
mit ihm nach der Verurteilung und nach dem Tode Jesu einfach
einen Strich gezogen und sich mit dem Geschehenen sozusagen ab-
gefunden hätten, so daß sie, „als ob nichts geschehen wäre“, wieder
nach Hause gingen ? So hat sich der Petrusevangelist im späteren
zweiten Jahrhundert die Sache in der Tat vorgestellt146. Aber mir
scheint, eine Situation, wie sie Lukas in der Emmausgeschichte
voraussetzt, hat von vornherein mehr Wahrscheinlichkeit für sich.
Danach sind die Jünger nicht einfach auseinandergelaufen, oder sie
haben sich nach dem ersten Schrecken zum Teil doch wieder zusam-
mengefunden. Sie reden miteinander und suchen den Sinn des
scheinbar ganz unbegreiflichen Geschehens zu ergründen147. Ihre
Rat- und Hilflosigkeit ist groß — so groß, daß seihst die Nachricht
vom leeren Grabe ihnen noch nicht weiterhilft148. Aber sie sind
doch weit davon entfernt, das scheinbare Ende Jesu und ihrer Hoff-
nungen als Gegebenheit hinzunehmen, sie sind damit nicht „fer-
tig“ geworden und finden sich mit dem Geschehenen noch nicht ah.
Solchen Schilderungen liegen natürlich kaum irgendwelche alten
„Nachrichten“ zugrunde; aber sie müssen darum auch nicht „falsch“
sein. Es gibt jedenfalls keinen anderen, dem entgegenstehenden
alten Bericht. Vielleicht haben sich Markus und Matthäus die Situ-
ation ähnlich vorgestellt wie Lukas; sie haben darüber nur nichts
sagen wollen und gesagt. Entscheidend ist aber nicht dies Allge-
meine, sondern die bestimmte Angabe, die Lukas über die Haltung
und das Verhalten des Petrus macht. Nach seiner Darstellung muß
144 Eine andere Frage ist natürlich, ob sie zum alten Bestand der Passionsüber-
lieferung gehört und hier nicht vielmehr nachträglich eingefügt ist: Bultmann,
Tradition S. 301 ff.; Dibelius, Formgeschichte S. 180. 184. 215ff.
145 Man könnte dies freilich auch als Akt einer rein menschlichen Anhänglich-
keit und Treue auslegen, oder man könnte sagen, daß Petrus die Sache bis zuletzt
noch nicht ganz verloren geben wollte. Aber dies wäre eine kühne Annahme.
146 Ev. Pt. XIV, 59f.: ημείς δέ οί δώδεκα μα·9·ηταί τοΰ κυρίου εκλαίομεν και
ελυπουμε-9-α και έκαστος λυπούμενος διά τό συμβάν άπηλλάγη εις τον οίκον αύτοΰ.
εγω δε Σίμο^ν Πέτρος καί Άνδρέας 6 άδελφός μου λαβόντες ήμών τά λίνα άπήλθαιιεν
είς την -9-άλασσαν...
147 Lk. 24, 14f.
148 Ek. 24, 22 ff.
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sie gemerkt haben, was hevorstand. Das zeigt in gewisser Weise
auch die Geschichte von der Verleugnung des Petrus, die zu ver-
werfen kein Grund besteht144. Petrus macht denVersuch, auch dem
bedrohten und überwundenen Meister noch treu zu bleiben, gibt
ihn also auch jetzt noch nicht völlig preis145. Kann man sich’s un-
ter diesen Umständen vorstellen, daß er und alle andern Jünger
mit ihm nach der Verurteilung und nach dem Tode Jesu einfach
einen Strich gezogen und sich mit dem Geschehenen sozusagen ab-
gefunden hätten, so daß sie, „als ob nichts geschehen wäre“, wieder
nach Hause gingen ? So hat sich der Petrusevangelist im späteren
zweiten Jahrhundert die Sache in der Tat vorgestellt146. Aber mir
scheint, eine Situation, wie sie Lukas in der Emmausgeschichte
voraussetzt, hat von vornherein mehr Wahrscheinlichkeit für sich.
Danach sind die Jünger nicht einfach auseinandergelaufen, oder sie
haben sich nach dem ersten Schrecken zum Teil doch wieder zusam-
mengefunden. Sie reden miteinander und suchen den Sinn des
scheinbar ganz unbegreiflichen Geschehens zu ergründen147. Ihre
Rat- und Hilflosigkeit ist groß — so groß, daß seihst die Nachricht
vom leeren Grabe ihnen noch nicht weiterhilft148. Aber sie sind
doch weit davon entfernt, das scheinbare Ende Jesu und ihrer Hoff-
nungen als Gegebenheit hinzunehmen, sie sind damit nicht „fer-
tig“ geworden und finden sich mit dem Geschehenen noch nicht ah.
Solchen Schilderungen liegen natürlich kaum irgendwelche alten
„Nachrichten“ zugrunde; aber sie müssen darum auch nicht „falsch“
sein. Es gibt jedenfalls keinen anderen, dem entgegenstehenden
alten Bericht. Vielleicht haben sich Markus und Matthäus die Situ-
ation ähnlich vorgestellt wie Lukas; sie haben darüber nur nichts
sagen wollen und gesagt. Entscheidend ist aber nicht dies Allge-
meine, sondern die bestimmte Angabe, die Lukas über die Haltung
und das Verhalten des Petrus macht. Nach seiner Darstellung muß
144 Eine andere Frage ist natürlich, ob sie zum alten Bestand der Passionsüber-
lieferung gehört und hier nicht vielmehr nachträglich eingefügt ist: Bultmann,
Tradition S. 301 ff.; Dibelius, Formgeschichte S. 180. 184. 215ff.
145 Man könnte dies freilich auch als Akt einer rein menschlichen Anhänglich-
keit und Treue auslegen, oder man könnte sagen, daß Petrus die Sache bis zuletzt
noch nicht ganz verloren geben wollte. Aber dies wäre eine kühne Annahme.
146 Ev. Pt. XIV, 59f.: ημείς δέ οί δώδεκα μα·9·ηταί τοΰ κυρίου εκλαίομεν και
ελυπουμε-9-α και έκαστος λυπούμενος διά τό συμβάν άπηλλάγη εις τον οίκον αύτοΰ.
εγω δε Σίμο^ν Πέτρος καί Άνδρέας 6 άδελφός μου λαβόντες ήμών τά λίνα άπήλθαιιεν
είς την -9-άλασσαν...
147 Lk. 24, 14f.
148 Ek. 24, 22 ff.