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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1956, 4. Abhandlung): Horaz und die Politik — Heidelberg, 1956

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https://doi.org/10.11588/diglit.42325#0009
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Horaz und die Politik

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laudantur simili prole puerperae
(Erga 235: xtxxouoi/v 8s yuvalxeg eoixoxa xexva xoxeüai/v)
im Kaiserpanegyrikus des Prokop 28 wiederkehrt. Es wird wahrscheinlich
nicht aus Horaz zu Prokop gekommen sein, sondern Horaz wird es seiner-
seits bereits in der hellenistischen Tradition vorgefunden haben, die auch
Prokop fortsetzt.
Die panegyrische Verherrlichung des Augustus ist also von einem Stil
geprägt, den Horaz nicht geschaffen hat, wenn er ihn auch in persönlicher
Weise abwandelt und durch Züge römischer Monumentalität und Innig-
keit bereichert24. Sie ist, wie das Carmen saeculare, das Horaz als offizieller
Dichter verfaßt hat, durch Formen bestimmt, über die er nicht frei verfügt
und denen gegenüber die Frage nach der persönlichen Überzeugung des
Dichters ebensowenig am Platz ist wie gegenüber jeder Art von Auftrags-
kunst, die sich in durch Genre, Zeremoniell und Ritus vorgeschriebenen
Formen bewegt. Bei aller Betonung des Römischen hat offensichtlich auch
Augustus nicht nur in den Provinzen, sondern auch in Rom, solche helle-
nistisch-orientalische Formen zumindest in der Dichtung keineswegs ver-
schmäht. In der römischen Kaiserpanegyrik hat sich so schon unter
Augustus etwas von hellenistisch-orientalischem Überschwang breitge-
macht, von dem auch Horaz nicht frei ist, obwohl er sich im allgemeinen
von allzu großen Übertreibungen freigehalten hat25.
Aber die Kerntatsache der horazischen Panegyrik haben wir damit noch
nicht berührt. Sie liegt darin, daß sich in dem Preis des Soter Augustus der
Dichter tatsächlich zum Wortführer einer Zeitströmung und zum Dolmetsch
von Gefühlen macht, die die Herzen damals bewegten: der Sehnsucht nach
Entsühnung von schwerer Schuld, nach Befreiung von dem Sünden-
bewußtsein, das auf der Generation lastet, die die Greuel der Bürger-
kriege erlebt und verschuldet hatte, und dem Glauben, in Augustus den
Erlöser und Befreier gefunden zu haben. Diese religiöse Sehnsucht ist der
Ursprung des römischen Kaiserglaubens gewesen, und nur darum konnte
die hellenistische Herrscherapotheose neben der Apotheose des Romulus
und orientalischen Heilserwartungen, wie sie sich in den Sibyllinen wider-
spiegeln, damals in der Augustusverehrung in neuer Metamorphose Wieder-
erstehen. Eine Darstellung der augusteischen Zeit, die auf diese Kräfte
keine Rücksicht nimmt und glaubt, es handle sich hier nur um ideologische
Maskerade und gelenkte Meinungsbildung, muß ebenso unzureichend blei-
ben wie eine, die die harten Machtkämpfe übersieht, die sich damals ab-
spielten26.
Das Problem der Aufrichtigkeit der politischen Gedichte des Horaz hat
aber noch eine andere Seite, die wir wenigstens kurz streifen müssen. Es
muß nämlich ganz allgemein daran erinnert werden, daß die Autonomie
des politischen (wie des kultisch-sakralen)27 Bereichs in Rom als etwas so
Mächtiges und Selbstverständliches empfunden wird, daß man sich den
 
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