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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1956, 4. Abhandlung): Horaz und die Politik — Heidelberg, 1956

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https://doi.org/10.11588/diglit.42325#0011
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Horaz und die Politik

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genauer zu bestimmen versuchen, müssen wir noch kurz auf eine neuere
Behandlung des Problems eingehen, die sich von den meisten früheren
dadurch vorteilhaft unterscheidet, daß sie die erwähnte Spannung nach-
drücklich anerkennt und nicht durch die Annahme einer inneren Wandlung
des Dichters oder einer harmonisierenden, die Gegensätze verwischenden
Betrachtungsweise zu beseitigen sucht: Lothar Wickert31 möchte die
Ursache der Spannung in der „Brüchigkeit des Zeitcharakters“ sehen,
womit er konkret folgendes meint: Die altrömische militärische und
bürgerliche virtus, wie sie Horaz und nach außen hin auch Augustus for-
dern, hätte damals — so etwa formuliert er — in Wirklichkeit kaum noch
existiert. Der militärische Einsatz des römischen und italischen Alt-
bürgers sei damals überhaupt nicht mehr benötigt worden: „Der Kaiser
hat die Pflicht zur Bewährung der virtus den Römern abgenommen“ (169).
Horaz also — so etwa will Wickert sagen — stößt mit seinen patriotischen
Forderungen ins Leere. Ich fürchte, eine solche Beurteilung wird weder
dem Augustus noch dem Horaz gerecht. Ja, der Dichter kommt dabei in ein
noch ungünstigeres Licht, als wenn man die Aufrichtigkeit seiner lob-
rednerischen Äußerungen bezweifelt. Seine politischen Gedichte sind
dann zwar nicht unaufrichtig, aber gegenstandslos. Außerdem wird hier
verkannt, daß die festgestellte Spannung nicht nur faktisch vorhanden,
sondern dem Dichter selbst durchaus bewußt war, ja daß das Bewußtsein
dieses Gegensatzes ein Grundmotiv seiner Poesie von den frühesten
Epoden bis zu den Episteln bildet, seiner Poesie und seines Lebens.
Denn in dem persönlichen Verhältnis des Dichters zum Kaiser und zu
Maecenas32 war die gleiche Spannung lebendig. Trotz aller Freundschaft
hat er offenbar ein persönliches Engagement, das über die uns vorliegen-
den politischen Dichtungen hinausgeht, strikt abgelehnt. So hat er das
wichtige Amt ab epistulis nicht angenommen, das Augustus ihm anbot,
wie Sueton berichtet. Die Reihe der einflußreichen kaiserlichen Freige-
lassenen hat nicht mit ihm begonnen. Umgekehrt hat ihm auch der Kaiser
weitgehende Freiheit gewährt33. Er hat Männern wie seinem Jugend-
freund Pompejus, Asinius Pollio, Messalla Corvinus, Munatius Plancus,
Tibull die Freundschaft bewahren können, die nicht uneingeschränkt An-
hänger des Augustus waren, ja zum Teil in kaum verhüllter Gegnerschaft
zum Kaiser standen.
Maecenas aber ist trotz aller Freundschaft für Horaz der Repräsentant
der politischen Welt, während er selbst stolz und glücklich ist, ihr nicht
angehören zu müssen.
Eine Reihe der wichtigsten Satiren, Episteln und Oden sind von diesem
persönlichen Gegensatz der beiden Freunde beherrscht, so die Satire 1, 6,
wo es als ein hoher Vorzug des Maecenas gepriesen wird, daß er, obwohl
aus höchstem Etruskeradel, den Sohn des ehemaligen Sklaven nicht ver-
achte. Die eigne niedere Abkunft aber preist der Dichter als eine Gnade
 
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