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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1956, 4. Abhandlung): Horaz und die Politik — Heidelberg, 1956

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https://doi.org/10.11588/diglit.42325#0012
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Viktor Pöschl

des Schicksals: sie hat ihn vor einer politischen Laufbahn und ihren Sorgen
und Gefahren bewahrt, wobei immer auch die Gefahren gemeint sind, die
der Seele des Menschen erwachsen. In der Satire 2,6 ist Horaz zum amicus
und convictor des Maecenas geworden. Das aber führt ihn dazu, einen
neuen Gegensatz zu beleuchten: den Gegensatz zwischen dem Leben in
Rom, wo er als amicus seines Gönners unliebsamen Belästigungen ausge-
setzt ist, und dem auf dem geliebten Sabinergut, wo sich das stille Glück
der vita rustica rein entfaltet, wo schöne Gespräche beim Wein geführt
werden über Dinge, an denen sein Herz hängt:
o rus quando ego te aspiciam . .
o noctes cenaeque deum.
Die Fabel von der Stadtmaus und der Landmaus am Schluß, die ein
Gutsnachbar beim nächtlichen Convivium zum besten gibt, läßt stärker
als alles andere durchblicken, wie problematisch ihm der Glanz seiner
Stellung als Freund Maecens erscheint. Überhaupt verrät sich in den
Fabeln der Satiren und Episteln die innere Einstellung des Dichters zu
der politischen Rolle, in die er sich als Vertrauter des Maecenas gedrängt
sieht. In der Damasippussatire (s. 2,3) macht der Stoiker dem Dichter den
Vorwurf, daß er in seiner Stellung als Freund und Nacheiferer des mächti-
gen Mannes ein Frosch sei, der sich zum Kalb aufblasen möchte, in der
Epistel an Aristius Fuscus (epi. 1,10) bezieht er die Fabel vom Pferd, das
mit Hilfe des Menschen über den Hirsch siegt, dafür aber Zaum und Zügel
dulden muß, auf sich selbst. Am weitesten geht die Fabel vom Fuchs in der
Maecenasepistel 1,7, die man als endgültige Absage des Horaz an die con-
victio mit Maecenas gedeutet hat. Ein Fuchs drang durch ein schmales
Loch in einen geflochtenen Getreidekorb, fraß sich dort voll und siehe da,
das Loch war ihm zu eng. Da gibt ihm das Wiesel den weisen Rat: wenn
du wieder hinaus willst, mußt du genau so schlank werden wie damals,
als du hineinschlüpftest. „Wenn dieses Bild mich angeht, dann verzichte
ich auf alles“, bemerkt Horaz: cuncta resigno. Und um das noch zu unter-
streichen, folgt die lustig nachdenkliche Geschichte von dem hohen Herrn
Philippus und dem armen Volteius Mena, der ein Ausrufer und Trödel-
händler war — wie der Vater des Horaz! Eines Tages nun sieht Philippus,
wie sich der gute Volteius vergnügt beim Barbier nach dem Rasieren mit
dem Messer die Nägel schneidet34. Er lädt ihn zu sich. Der lehnt ab,
schließlich kommt er doch und immer häufiger35: „Der Fisch schwimmt zum
Angelhaken“. Philippus schenkt ihm ein Gut im Sabinerland — ausgerech-
net dort —, doch bald hat ers satt, voll Verzweiflung kommt er des Nachts
in die Stadt geritten und fleht seinen Wohltäter inständig an: vitae me
redde priori.
Natürlich ist Philippus nicht Maecenas und Volteius nicht Horaz, aber
der Reiz der Geschichte liegt darin, daß diese Figuren zugleich Masken des
 
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