Horaz und die Politik
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der Gottheit anschließt, das Unterste mit dem Obersten zu vertauschen
und der Freude Fortunens, dort Königskronen vom Haupte zu nehmen und
hier aufzusetzen47. Wenn also auch kein wirklicher Blitz, so ist es doch eine
tiefe Erfahrung des Dichters, die hier ihren Ausdruck gefunden hat: die
Erfahrung eines umwälzenden geschichtlichen Ereignisses, das den Erd-
kreis erschütterte, in dem sich die furchtbare Macht der Gottheit und die
Ohnmacht des Menschen offenbarte. Und die Erfahrung, die hier Gestalt
gewonnen hat, ist zugleich eine religiöse Erfahrung im Sinne des Aspekts
römischer religio, den Polybios mit ösimöaipovla wiedergab. Jupiter,
nicht ohne Bedacht mit Fortuna gleichgesetzt, hat sich in seiner ganzen
Furchtbarkeit und Willkür manifestiert. Angesichts solcher Macht, die sich
nicht zufällig in der Form eines Blitzes aus heiterem Himmel ankündigt,
was nach römischer Auffassung ein prodigium ist48, gibt es nur Unter-
werfung und „Achthaben“ im Sinne der Grundbedeutung des Wortes
religio. Es ist der gleiche Aspekt der Gottheit, die gleiche Vorstellung ihrer
unentrinnbaren Macht, wie sie in der zweiten Strophe der ersten Römer-
ode erscheint49. Es ist die Gotteserfahrung der Bürgerkriegszeit, wie sie
nicht nur Horaz, sondern auch Sallust (Cat. 8, 1: sed profecto fortuna in
omni re dominatur), Asinius Pollio (Horaz c. 2, 1, 3: ludumque Fortunae)
und später Lucan50 und Tacitus51 ausgesprochen haben. Das aber bedeutet,
daß die hier niedergelegte Zeiterfahrung nicht auf ein einzelnes histori-
sches Ereignis festgelegt werden darf wie Philippi oder Actium52. Aber
daß solche Ereignisse, die das ganze Dasein bis ins Tiefste erschütterten,
in das „monumentum aere perennius“ dieses Horazgedichtes eingeschmol-
zen sind, ist sicher. Auch, daß die insaniens sapientia Epikurs angesichts sol-
cher Erfahrungen nicht ausreicht, ist deutlich ausgesprochen. Trotzdem dür-
fen wir höchstens von Umkehr, nicht von Bekehrung reden, denn wesentliche
Teile des horazischen Bekenntnisses zu Epikur bleiben auch dann intakt, als
seine religiösen Lehren als revisionsbedürftig empfunden werden53 und
als es sich herausstellt, daß das Walten der Gottheit furchtbarer und
unentrinnbarer ist, als es Epikur wahrhaben will. Der gleichen unepi-
kureischen Vorstellung vom Wesen der Gottheit begegnen wir in der
ersten Römerode. Wir kommen darauf noch zurück.
Von solchen Grunderfahrungen her empfängt der Kontrast zur politi-
schen Welt, der so viele Horazgedichte charakterisiert, seine Intensität.
Dieser Kontrast und die Wendung von der großen politischen Welt der
Sorge zur persönlichen Welt der Freiheit, vom glanzvoll Prunkenden zum
Einfachen und Schlichten, vom Schein zum Wesen ist nicht nur inhaltlich
ein Hauptthema zahlreicher Gedichte, sondern sie spricht sich auch in ihrer
Form aus, ihrer inneren Bewegung. Wenn wir uns von der Gewalt dieser
Bewegung leiten lassen, die auf den dafür Empfänglichen wie Musik
wirkt und die namentlich Friedrich Klingner in seinen Interpretationen
horazischer Gedichte immer wieder aufgezeigt hat54, dann werden wir wie
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der Gottheit anschließt, das Unterste mit dem Obersten zu vertauschen
und der Freude Fortunens, dort Königskronen vom Haupte zu nehmen und
hier aufzusetzen47. Wenn also auch kein wirklicher Blitz, so ist es doch eine
tiefe Erfahrung des Dichters, die hier ihren Ausdruck gefunden hat: die
Erfahrung eines umwälzenden geschichtlichen Ereignisses, das den Erd-
kreis erschütterte, in dem sich die furchtbare Macht der Gottheit und die
Ohnmacht des Menschen offenbarte. Und die Erfahrung, die hier Gestalt
gewonnen hat, ist zugleich eine religiöse Erfahrung im Sinne des Aspekts
römischer religio, den Polybios mit ösimöaipovla wiedergab. Jupiter,
nicht ohne Bedacht mit Fortuna gleichgesetzt, hat sich in seiner ganzen
Furchtbarkeit und Willkür manifestiert. Angesichts solcher Macht, die sich
nicht zufällig in der Form eines Blitzes aus heiterem Himmel ankündigt,
was nach römischer Auffassung ein prodigium ist48, gibt es nur Unter-
werfung und „Achthaben“ im Sinne der Grundbedeutung des Wortes
religio. Es ist der gleiche Aspekt der Gottheit, die gleiche Vorstellung ihrer
unentrinnbaren Macht, wie sie in der zweiten Strophe der ersten Römer-
ode erscheint49. Es ist die Gotteserfahrung der Bürgerkriegszeit, wie sie
nicht nur Horaz, sondern auch Sallust (Cat. 8, 1: sed profecto fortuna in
omni re dominatur), Asinius Pollio (Horaz c. 2, 1, 3: ludumque Fortunae)
und später Lucan50 und Tacitus51 ausgesprochen haben. Das aber bedeutet,
daß die hier niedergelegte Zeiterfahrung nicht auf ein einzelnes histori-
sches Ereignis festgelegt werden darf wie Philippi oder Actium52. Aber
daß solche Ereignisse, die das ganze Dasein bis ins Tiefste erschütterten,
in das „monumentum aere perennius“ dieses Horazgedichtes eingeschmol-
zen sind, ist sicher. Auch, daß die insaniens sapientia Epikurs angesichts sol-
cher Erfahrungen nicht ausreicht, ist deutlich ausgesprochen. Trotzdem dür-
fen wir höchstens von Umkehr, nicht von Bekehrung reden, denn wesentliche
Teile des horazischen Bekenntnisses zu Epikur bleiben auch dann intakt, als
seine religiösen Lehren als revisionsbedürftig empfunden werden53 und
als es sich herausstellt, daß das Walten der Gottheit furchtbarer und
unentrinnbarer ist, als es Epikur wahrhaben will. Der gleichen unepi-
kureischen Vorstellung vom Wesen der Gottheit begegnen wir in der
ersten Römerode. Wir kommen darauf noch zurück.
Von solchen Grunderfahrungen her empfängt der Kontrast zur politi-
schen Welt, der so viele Horazgedichte charakterisiert, seine Intensität.
Dieser Kontrast und die Wendung von der großen politischen Welt der
Sorge zur persönlichen Welt der Freiheit, vom glanzvoll Prunkenden zum
Einfachen und Schlichten, vom Schein zum Wesen ist nicht nur inhaltlich
ein Hauptthema zahlreicher Gedichte, sondern sie spricht sich auch in ihrer
Form aus, ihrer inneren Bewegung. Wenn wir uns von der Gewalt dieser
Bewegung leiten lassen, die auf den dafür Empfänglichen wie Musik
wirkt und die namentlich Friedrich Klingner in seinen Interpretationen
horazischer Gedichte immer wieder aufgezeigt hat54, dann werden wir wie