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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1956, 4. Abhandlung): Horaz und die Politik — Heidelberg, 1956

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https://doi.org/10.11588/diglit.42325#0023
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Horaz und die Politik

23

Virtus repulsae nescia sordida
intaminatis fulget honoribus
nec sumit aut ponit securis
arbitrio popularis aurae.
Wahre Mannestugend, für die es eine erniedrigende Zurückweisung
nicht gibt, glänzt in unbefleckten Ehren und nimmt nicht die Beile oder
legt sie nieder nach des Volkes Gutdünken.
Gewiß heißt das, daß die virtus vom Urteil der Menge befreit werden
soll, wie K. Büchner erklärt64. Aber die hier genannte virtus bezieht sich
offenbar auch auf solche Männer, die, aus welchen Gründen immer, außer-
halb der Politik stehen oder in ihr nicht reüssiert haben und denen dies
gleichwohl nichts anhaben kann, ja die sich dennoch oder vielmehr gerade
dadurch den Weg zur Himmelsunsterblichkeit bahnten. Man kann diese
Strophe als eine Pluldigung an diejenigen auffassen, denen politische An-
erkennung versagt bleibt65. Aber andererseits steht die hier verherrlichte
virtus schon so sehr außerhalb des Politischen, ist schon so im Persönlichen
verankert, daß es nicht völlig ausgeschlossen wäre, hier auch die virtus
des Dichters mitzuverstehen im Sinne des „mea virtute me involvo“ von
c. 3, 29.
Dann aber setzt sich die Wendung nach innen, die mit der 5. Strophe
(virtus repulsae nescia sordidae) begann, noch entschiedener fort. Es gibt
eine Form menschlicher Vollkommenheit, die nach außen noch weniger
glanzvoll in Erscheinung tritt als die virtus der Strophen 5 und 6 und der
doch ebenfalls sicherer Lohn zuteil wird. Sie wird vom Dichter als „hdele
silentium“ bezeichnet:
est et fideli tuta silentio
merces.
Bei dem Lohn darf man, wie C. Koch richtig vermutet66, in Kombi-
nation mit der vorherigen Strophe, die vom Himmelslohn der virtus redet,
und mit der folgenden, wo das fidele silentium an der heiligen Schweige-
pflicht der eleusinischen Mysten exemplifiziert wird, ebenfalls an Himmels-
lohn denken, die Treue und Reinheit von Sünden (auf die im folgenden
hingedeutet wird) bei den Göttern Enden. Doch läßt sich das fidele
silentium nicht auf den religiösen Bereich einschränken, zu dem das Bei-
spiel der arcana Geres dann allerdings überleitet. Es besteht die Möglich-
keit, es auch auf menschliche und politische Situationen zu beziehen, dar-
unter auch solche, die sich aus den wechselvollen Zeitläufen ergeben. Dem
hellhörigen Leser bleibt es unbenommen, eine Treue gepriesen zu sehen,
die mit der hdes von c. 1, 35 verwandt ist. Von neuem wird die Möglich-
keit einer sittlichen Bewährung angedeutet, die sich außerhalb des Berei-
ches politischer Macht vollzieht. Und da in der vorletzten Strophe auch
 
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