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Hans Fbhb. von Campenhausen
schließenden Lobpreis auf Polykarp zuzuschreiben sein. Denn um
ein Stück des ursprünglichen Briefes kann es sich dabei gewiß nicht
mehr handeln.
6. Ein letztes Mal kommt die Euangelion-Redaktion M 22,1
zum Vorschein. Es handelt sich hier um den Abschluß des Marty-
riums in einer neuen Bearbeitung, die dem Eingang entspricht.
Es greift den Gedanken der Nachfolge nach ,,dem Worte Jesu
Christi, das dem Evangelium gemäß ist“, zum letzten Male auf und
schließt dann stilgemäß mit einer Doxologie ab. Daß dieser zweite
oder mit M 19,2 sogar dritte doxologische Schluß nicht echt sein
kann, hat man schon des öfteren ausgesprochen und dürfte durch
seine inhaltliche Zusammengehörigkeit mit den übrigen sekundären
Stücken nun vollends erwiesen sein. —
Daß diese lehrhafte Rahmung und Ergänzung des Martyriums
dem ursprünglichen Smyrnäerbrief noch fremd war, steht also fest.
Wann aber ist die Bearbeitung erfolgt? Es läge nahe, sie auf den-
selben Pseudo-Pionios zurückzuführen, der sich in den anschließen-
den Schreibernotizen M 22,3 als Wiederentdecker des Berichtes
vorstellt, welcher infolge seines Alters schon sehr ramponiert ge-
wesen und von ihm wiederzusammengebracht worden sei, d.h. also
einer neuen Redaktion unterworfen wurde. Aber zwei Gründe
sprechen dagegen. Erstens sticht der ziemlich schwülstige und
schwerfällige Stil unserer Euangelion-Redaktion stark von dem
flüssigen Griechisch der Vita Polycarpi ab, die doch, wie man all-
gemein mit Recht annimmt, eben diesen Pseudo-Pionios zum Ver-
fasser hat. Zweitens aber ist es auch aus inneren Gründen kaum
anzunehmen, daß man damals — an der Schwelle des fünften Jahr-
hunderts — an den alten disziplinären Grundsätzen gegen ein
Drängen zum Martyrium noch ein so starkes Interesse, gehabt
haben sollte, wie es die Redaktion zeigt. In der glorifizierenden
Betrachtung der rückschauenden Hagiographie ist für derartige,
praktisch orientierte Warnungen kein Platz mehr. Sie gehören eher
in eine Zeit, da das Verhalten der Märtyrer noch ein aktuelles Pro-
blem oder in seiner kirchlichen Bedeutung zum mindesten noch
wohl bekannt war. Man könnte etwa an die Zeit der letzten Ver-
folgungen denken; die Canones des Bischofs Petrus von Alexandrien
erörtern damals ähnliche Fragen28. Daß Eusebios unsere Bearbeitung
28 Vgl. can. 13beiM. J. Routh, Reliquiae sacrae IV (2. Aufl. Oxf. 1846) 41 ff.
Hans Fbhb. von Campenhausen
schließenden Lobpreis auf Polykarp zuzuschreiben sein. Denn um
ein Stück des ursprünglichen Briefes kann es sich dabei gewiß nicht
mehr handeln.
6. Ein letztes Mal kommt die Euangelion-Redaktion M 22,1
zum Vorschein. Es handelt sich hier um den Abschluß des Marty-
riums in einer neuen Bearbeitung, die dem Eingang entspricht.
Es greift den Gedanken der Nachfolge nach ,,dem Worte Jesu
Christi, das dem Evangelium gemäß ist“, zum letzten Male auf und
schließt dann stilgemäß mit einer Doxologie ab. Daß dieser zweite
oder mit M 19,2 sogar dritte doxologische Schluß nicht echt sein
kann, hat man schon des öfteren ausgesprochen und dürfte durch
seine inhaltliche Zusammengehörigkeit mit den übrigen sekundären
Stücken nun vollends erwiesen sein. —
Daß diese lehrhafte Rahmung und Ergänzung des Martyriums
dem ursprünglichen Smyrnäerbrief noch fremd war, steht also fest.
Wann aber ist die Bearbeitung erfolgt? Es läge nahe, sie auf den-
selben Pseudo-Pionios zurückzuführen, der sich in den anschließen-
den Schreibernotizen M 22,3 als Wiederentdecker des Berichtes
vorstellt, welcher infolge seines Alters schon sehr ramponiert ge-
wesen und von ihm wiederzusammengebracht worden sei, d.h. also
einer neuen Redaktion unterworfen wurde. Aber zwei Gründe
sprechen dagegen. Erstens sticht der ziemlich schwülstige und
schwerfällige Stil unserer Euangelion-Redaktion stark von dem
flüssigen Griechisch der Vita Polycarpi ab, die doch, wie man all-
gemein mit Recht annimmt, eben diesen Pseudo-Pionios zum Ver-
fasser hat. Zweitens aber ist es auch aus inneren Gründen kaum
anzunehmen, daß man damals — an der Schwelle des fünften Jahr-
hunderts — an den alten disziplinären Grundsätzen gegen ein
Drängen zum Martyrium noch ein so starkes Interesse, gehabt
haben sollte, wie es die Redaktion zeigt. In der glorifizierenden
Betrachtung der rückschauenden Hagiographie ist für derartige,
praktisch orientierte Warnungen kein Platz mehr. Sie gehören eher
in eine Zeit, da das Verhalten der Märtyrer noch ein aktuelles Pro-
blem oder in seiner kirchlichen Bedeutung zum mindesten noch
wohl bekannt war. Man könnte etwa an die Zeit der letzten Ver-
folgungen denken; die Canones des Bischofs Petrus von Alexandrien
erörtern damals ähnliche Fragen28. Daß Eusebios unsere Bearbeitung
28 Vgl. can. 13beiM. J. Routh, Reliquiae sacrae IV (2. Aufl. Oxf. 1846) 41 ff.