Bearbeitungen und Interpolationen des Polykarpmartyriums 17
neben den spitzen Muscheln, mit denen die Christen nach M 2,4
mißhandelt werden, HE IV 15,4 als Folterwerkzeuge auch noch
τινάς όξεϊς οβελίσκους35 erwähnt, so muß er etwas Derartiges in
seinem Texte auch gelesen haben, gleichviel ob es sich, am ur-
sprünglichen Briefe gemessen, dabei um die richtige Lesart oder um
Wucherungen handelt. Wir beschränken uns im folgenden lediglich auf
diejenigen Abweichungen, die von einigem sachlichen Gewichte sind.
1. Daß es bei der smyrnäischen Verfolgung so gut wie in Lyon
und an anderen Orten nicht nur standhafte Bekenner, sondern auch
Abtrünnige gegeben hat, ja daß die zwölf Märtyrer, von denen
M 19,1 die Rede ist, gegenüber der Zahl der verhafteten und zum
Abfall gebrachten Christen vielleicht nur eine Minderheit dar-
stellten, ist von vornherein nicht unwahrscheinlich und war im
ursprünglichen Briefe der Smyrnäer vermutlich noch etwas deut-
licher zum Ausdruck gebracht. Der Satz M 3,1, wonach der teuf-
lische Widersacher nicht gegen alle Christen Erfolg hatte, weil sich
der wackere Germanikos in seiner Standhaftigkeit kräftigend gegen
ihre Feigheit erhob, ist in dieser Hinsicht unmißverständlich36.
Eusebios gibt HE IV 15,5 die fragliche Wendung folgendermaßen
wieder: μάλιστα δε ίστορονσιν διαπρέψαι τον γενναιότατον Γερμανικόν,
νπορρωνννντα συν {λεία χάριτι την έμφυτον περί τον ϋ'άνατον τοϋ σώματος
δειλίαν. Der kurze Satz über die Anstrengungen und den halben
Erfolg des Teufels kommt also einfach in Fortfall, und Gottes
Gnade37 läßt Germanikos jetzt lediglich über die angeborene Todes-
furcht seiner eigenen Natur einen heroischen Sieg erringen. Diese
charakteristische Veränderung des Textes wird nicht erst Eusebios
zur Last fallen — sie stand wahrscheinlich schon in seinem Exemplar
des Martyriums.
Auch die Worte des Prokonsuls, die nichts für ihn Anstößiges
enthielten, gibt er in einer etwas breiteren Fassung wieder. Da er
im Zweifelsfall doch nicht aufblähen, sondern nur kürzen wollte,
müssen sie in dieser Form wohl gleichfalls schon in seiner Vorlage
gestanden haben. Übrigens hat die Handschrift m des Martyriums
35 Vgl. HE VIII 9,1.
36 Es genügt, hierfür auf Schwabtz, De Pionio S. 7f. zu verweisen, dessen
Ausführungen nicht dadurch falsch werden, daß neuere Bearbeiter und Über-
setzer sie nicht kennen oder ignorieren.
37 Das eusebianische συν Ίϊεία χάριτι ist die Wiedergabe des einleitenden
άλλα χάρις τω &εω im Martyrium.
2 Campenhausen, Bearbeitungen und Interpolationen des Polykarpmartyriums
neben den spitzen Muscheln, mit denen die Christen nach M 2,4
mißhandelt werden, HE IV 15,4 als Folterwerkzeuge auch noch
τινάς όξεϊς οβελίσκους35 erwähnt, so muß er etwas Derartiges in
seinem Texte auch gelesen haben, gleichviel ob es sich, am ur-
sprünglichen Briefe gemessen, dabei um die richtige Lesart oder um
Wucherungen handelt. Wir beschränken uns im folgenden lediglich auf
diejenigen Abweichungen, die von einigem sachlichen Gewichte sind.
1. Daß es bei der smyrnäischen Verfolgung so gut wie in Lyon
und an anderen Orten nicht nur standhafte Bekenner, sondern auch
Abtrünnige gegeben hat, ja daß die zwölf Märtyrer, von denen
M 19,1 die Rede ist, gegenüber der Zahl der verhafteten und zum
Abfall gebrachten Christen vielleicht nur eine Minderheit dar-
stellten, ist von vornherein nicht unwahrscheinlich und war im
ursprünglichen Briefe der Smyrnäer vermutlich noch etwas deut-
licher zum Ausdruck gebracht. Der Satz M 3,1, wonach der teuf-
lische Widersacher nicht gegen alle Christen Erfolg hatte, weil sich
der wackere Germanikos in seiner Standhaftigkeit kräftigend gegen
ihre Feigheit erhob, ist in dieser Hinsicht unmißverständlich36.
Eusebios gibt HE IV 15,5 die fragliche Wendung folgendermaßen
wieder: μάλιστα δε ίστορονσιν διαπρέψαι τον γενναιότατον Γερμανικόν,
νπορρωνννντα συν {λεία χάριτι την έμφυτον περί τον ϋ'άνατον τοϋ σώματος
δειλίαν. Der kurze Satz über die Anstrengungen und den halben
Erfolg des Teufels kommt also einfach in Fortfall, und Gottes
Gnade37 läßt Germanikos jetzt lediglich über die angeborene Todes-
furcht seiner eigenen Natur einen heroischen Sieg erringen. Diese
charakteristische Veränderung des Textes wird nicht erst Eusebios
zur Last fallen — sie stand wahrscheinlich schon in seinem Exemplar
des Martyriums.
Auch die Worte des Prokonsuls, die nichts für ihn Anstößiges
enthielten, gibt er in einer etwas breiteren Fassung wieder. Da er
im Zweifelsfall doch nicht aufblähen, sondern nur kürzen wollte,
müssen sie in dieser Form wohl gleichfalls schon in seiner Vorlage
gestanden haben. Übrigens hat die Handschrift m des Martyriums
35 Vgl. HE VIII 9,1.
36 Es genügt, hierfür auf Schwabtz, De Pionio S. 7f. zu verweisen, dessen
Ausführungen nicht dadurch falsch werden, daß neuere Bearbeiter und Über-
setzer sie nicht kennen oder ignorieren.
37 Das eusebianische συν Ίϊεία χάριτι ist die Wiedergabe des einleitenden
άλλα χάρις τω &εω im Martyrium.
2 Campenhausen, Bearbeitungen und Interpolationen des Polykarpmartyriums