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Campenhausen, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1957, 3. Abhandlung): Bearbeitungen und Interpolationen des Polykarpmartyriums — Heidelberg, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.42455#0030
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28

Hans Fb.hr. von Campenhausen

hineingeraten? Die regelmäßige, kultische Verehrung der Märtyrer
hat sich — wenn wir vom Polykarpmartyrium einmal absehen —
wesentlich im Laufe des dritten Jahrhunderts entwickelt. Aber diese
spätere Zeit hat in der Märtyrerverehrung, soweit erkennbar, auch
kein Problem mehr gesehen. Daß Wert und Sühnekraft des Mar-
tyriums sogar mit dem Werke Christi durchaus zu vergleichen
seien, ist schon für Origenes eine immer wieder betonte Selbst-
verständlichkeit71, und wir hören nirgends, daß er damit auf
Widerspruch gestoßen wäre. Eine neue Diskussion der Heiligen-
frage beginnt erst wieder gegen Ende des vierten Jahrhunderts in
Ost und West. Vorher scheint sie nur einmal aktuell gewesen zu sein,
nämlich damals, als die Märtyrerverehrung begann und noch als
Neuerung empfunden wurde. Schon der etwa ein Jahrzehnt nach
dem Polykarpmartyrium entstandene Lyonerbrief kennt die Frage
nach dem Rang der Märtyrer im Verhältnis zu Christus72, und die
montanistische Kritik der katholischen Martyrien, wie sie uns
besonders im Spotte Tertullians begegnet73, dürfte sie weiter ver-
schärft haben. Es empfiehlt sich also nicht, die Interpolationen des
Kapitels M 17 tiefer ins dritte Jahrhundert hinabzurücken; damals,
um die Jahrhundertwende, mögen sie verfaßt sein. Aber mehr als
eine gewisse Wahrscheinlichkeit läßt sich für die Datierung auf
einem so unsicheren Boden natürlich nicht erreichen.
5. Nun dürfen aber diese Einschübe über das Recht der Märtyrer-
verehrung nicht isoliert werden. Es liegt nahe, sie mit den unmittel-
bar vorher und nachher gebotenen Angaben über die Verehrung der
Polykarpreliquien und die Gedächtnisfeier an seinem Grabe zu-
sammenzuhalten. Wir begeben uns damit auf ein besonders schwie-
riges und umstrittenes Gebiet, und mir liegt daran, ausdrücklich zu
betonen, daß die folgenden kritischen Erwägungen nicht mehr den
gleichen Grad der Sicherheit beanspruchen können wie bei den bis-
herigen Ausscheidungen. Die Anfänge einer kultischen Verehrung
des Märtyrergrabes fallen gewiß noch in das zweite Jahrhundert.
Gerade das Polykarpmartyrium zeigt an einer ganz unverdächtigen
Stelle, welche Verehrung dem Leib einer geistlich hervorragenden
Persönlichkeit schon zu Lebzeiten entgegengebracht wurde. Es fiel
dem greisen Bischof, heißt es, schwer, angesichts des Scheiterhaufens
71 Vgl. H. v. Campenhausen, a.a.O. S. 95ff.
72 HE V 2,3; dazu Campenhausen, a.a.O. S. 87f.
73 Adv. Prax. 1; de pud. 22; de ieiun. 12.
 
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