Bearbeitungen und Interpolationen des Polykarpmartyriums 29
sich selbst das Schuhwerk auszuziehen, „weil er dies vorher niemals
zu tun brauchte; denn jeder Gläubige war stets darauf aus gewesen,
so schnell wie möglich als erster seine Haut zu berühren; war er
doch um seines heiligen Wandels willen schon von Jugend auf mit
jeder Tugend geschmückt“74. Von hier aus ist es bis zur Verehrung
der Reliquien und des Heiligengrabes wirklich nur ein kleiner
Schritt. Wenn wir die einschlägigen Angaben des Polykarp-
martyriums trotzdem in Zweifel ziehen, so ist also nicht die sach-
liche Mitteilung als solche entscheidend. Es geht in erster Linie
wieder um die Art und Weise, mit der die Aussagen formuliert und
in den Text gebracht sind.
Betrachten wir zunächst das mit καίπερ angeschlossene Satzende
von M 17,1, den Wunsch der Smyrnäer, sich des „Leibes“ (σωμάτων)
oder der „Reliquien“ (το λείψανον)Ί5 ihres Bischofs zu versichern,
um „mit seinem heiligen Fleische Gemeinschaft halten“ zu können.
Der Anschluß ist auf alle Fälle recht holperig. Die passivisch formu-
lierte Aussage, der Teufel habe dafür gesorgt, ώς μηδέ τό σωμάτων
αυτόν ύφ5 ημών ληψ&ήναι wird mit der anschließenden Wendung
καίπερ πολλώχν επιϋ'νμονντοιν τοϋτο ποιησαι nicht eben glücklich auf-
genommen. Außerdem stößt sie sich mit der entsprechenden Mit-
teilung von Ml7,2: μελλόντων ημών εκ τον πυρός αυτόν λιαμβάνειν.
Wir haben hier also wieder eine gewisse Verdoppelung der Aussagen
vor uns, ähnlich wie bei dem Einschub von M 9,1. Offenbar läßt sich
das ganze Anhängsel mühelos streichen, ohne daß dadurch sachlich
das Geringste verloren ginge; denn von der künftigen Verehrung der
Reliquien am Grabe ist M18,2f. ja noch einmal ausführlich die Rede.
Aber auch dieses Stück ist nicht frei von Seltsamkeit. Die
Smyrnäer kündigen M 18,3 den Lesern in Philomelium an, sie
würden sich künftig soweit möglich am Jahrestag des Martyriums
an Polykarps Grabe versammeln. Dort werde es ihnen der Herr
vergönnen, in Jubel und Freude „den Festtag seines Martyriums
zu begehen“ zur Erinnerung an die voraufgegangenen und zur
Stärkung für die künftigen Märtyrer. Die Situation des Briefes
scheint sorgfältig beachtet zu sein: noch droht die Gefahr neuer
74 M 13,2; zur Lesart προ της πολιάς bei Eusebios (statt προ της μαρτυρίας
im Pioniostext) vgl. Campenhausen, a.a. O. S. 80 Anm. 9.
75 Die Lesarten differieren. Der Ausdruck λείχρανον begegnet auch im
Lyonerbrief (PIE V 1,62: δπως μηδέ λείχρανον αυτών φαίνηται έπΐ της γης), be-
deutet hier indessen nicht mehr als „Überbleibsel“.
sich selbst das Schuhwerk auszuziehen, „weil er dies vorher niemals
zu tun brauchte; denn jeder Gläubige war stets darauf aus gewesen,
so schnell wie möglich als erster seine Haut zu berühren; war er
doch um seines heiligen Wandels willen schon von Jugend auf mit
jeder Tugend geschmückt“74. Von hier aus ist es bis zur Verehrung
der Reliquien und des Heiligengrabes wirklich nur ein kleiner
Schritt. Wenn wir die einschlägigen Angaben des Polykarp-
martyriums trotzdem in Zweifel ziehen, so ist also nicht die sach-
liche Mitteilung als solche entscheidend. Es geht in erster Linie
wieder um die Art und Weise, mit der die Aussagen formuliert und
in den Text gebracht sind.
Betrachten wir zunächst das mit καίπερ angeschlossene Satzende
von M 17,1, den Wunsch der Smyrnäer, sich des „Leibes“ (σωμάτων)
oder der „Reliquien“ (το λείψανον)Ί5 ihres Bischofs zu versichern,
um „mit seinem heiligen Fleische Gemeinschaft halten“ zu können.
Der Anschluß ist auf alle Fälle recht holperig. Die passivisch formu-
lierte Aussage, der Teufel habe dafür gesorgt, ώς μηδέ τό σωμάτων
αυτόν ύφ5 ημών ληψ&ήναι wird mit der anschließenden Wendung
καίπερ πολλώχν επιϋ'νμονντοιν τοϋτο ποιησαι nicht eben glücklich auf-
genommen. Außerdem stößt sie sich mit der entsprechenden Mit-
teilung von Ml7,2: μελλόντων ημών εκ τον πυρός αυτόν λιαμβάνειν.
Wir haben hier also wieder eine gewisse Verdoppelung der Aussagen
vor uns, ähnlich wie bei dem Einschub von M 9,1. Offenbar läßt sich
das ganze Anhängsel mühelos streichen, ohne daß dadurch sachlich
das Geringste verloren ginge; denn von der künftigen Verehrung der
Reliquien am Grabe ist M18,2f. ja noch einmal ausführlich die Rede.
Aber auch dieses Stück ist nicht frei von Seltsamkeit. Die
Smyrnäer kündigen M 18,3 den Lesern in Philomelium an, sie
würden sich künftig soweit möglich am Jahrestag des Martyriums
an Polykarps Grabe versammeln. Dort werde es ihnen der Herr
vergönnen, in Jubel und Freude „den Festtag seines Martyriums
zu begehen“ zur Erinnerung an die voraufgegangenen und zur
Stärkung für die künftigen Märtyrer. Die Situation des Briefes
scheint sorgfältig beachtet zu sein: noch droht die Gefahr neuer
74 M 13,2; zur Lesart προ της πολιάς bei Eusebios (statt προ της μαρτυρίας
im Pioniostext) vgl. Campenhausen, a.a. O. S. 80 Anm. 9.
75 Die Lesarten differieren. Der Ausdruck λείχρανον begegnet auch im
Lyonerbrief (PIE V 1,62: δπως μηδέ λείχρανον αυτών φαίνηται έπΐ της γης), be-
deutet hier indessen nicht mehr als „Überbleibsel“.