Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab
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chenraub in Wirklichkeit unmöglich passieren konnte und daß die entgegen-
gesetzte Behauptung nur auf bewußter, böswilliger Verleumdung beruht.
Wie meist, wenn eine solche tendenziöse Absicht leitend wird, hat der
Erzähler sein bestimmtes, apologetisches Ziel vor allem im Auge und achtet
darum nicht auf die Ungereimtheiten, die seine Erzählung rechts und links
davon nach sich zieht. Unsere Geschichte strotzt von Widersprüchen und
Unmöglichkeiten. Die Auferstehungsankündigung Jesu muß als allgemein
bekannt vorausgesetzt werden, damit die „Hohenpriester und Pharisäer“
sich danach auch richten können, und sie tun dies mit Genauigkeit: nur bis
zum vorgesehenen Zeitpunkt des dritten Tages ist die Wache notwendig
und wird mit dieser Begrenzung vom Landpfleger erbeten101. Die Sitzung,
bei der dies beschlossen wird, muß an einem Sabbath stattfinden — eine
Schwierigkeit, die Matthäus selbst empfunden zu haben scheint, wenn er
einer direkten Bezeichnung dieses Tages mit Hilfe einer künstlichen Um-
schreibung aus dem Wege geht102. Es widersteht ihm ferner, daß die himm-
lische Engelerscheinung, die Öffnung des Grabes und das Gespräch mit
den Frauen vor heidnischen Zeugen stattfinden soll. Darum werden die
Wachen im entscheidenden Augenblick von einem göttlichen Schrecken
befallen, sie „wurden wie Tote“103. Trotzdem geben sie nachher nicht etwa
Pilatus, sondern den jüdischen Hierarchen104 den nötigen Bericht über
„alles, was geschehen war“105. Und obgleich diese Bösewichte daraufhin
nur ihre eigenen Lügen bekanntgeben und verbreiten lassen106, wissen die
Christen, wie der Bericht zeigt, doch genauestens über alle Vorgänge Be-
scheid107.
Aber dies ist nicht die einzige Stelle, an der die apologetische Absicht
gegen die Juden bei Matthäus greifbar wird. Noch ein weiterer, merk-
würdiger Einschub läßt sich daraus erklären108. Im Gegensatz zum Mar-
101 Mt. 27, 63f.
102 Mt. 27, 62: rjj de ejtavgwv, fytig egt'iy jxeta rr]v JtaQacr%£ur]v.
103 Mt. 28, 4. Daß schon hier — wie später im Petrus- und im Hebräerevange-
lium — ungläubige Heiden zu „neutralen“ Zeugen des „angedeuteten“ Auf-
erstehungsvorgangs gemacht werden sollen, läßt sich m. E. nicht annehmen;
gegen Grass S. 25.
104 Das Petrusevangelium korrigiert 11, 43—49 auch diese Unmöglichkeit: Pilatus
empfängt zuerst den Rapport und gibt erst später, von „allen“ (jüdischen
Führern) bestürmt, den Schweigebefehl.
105 Mt. 28, 11.
106 Mt. 28, 13f.
107 Natürlich kann der Gang der Frauen zum Grabe jetzt auch nicht mehr mit
dem Salbungswunsch motiviert werden; sie kommen lediglich tfecoQf|croa VW
xacpov (28, 1). Aber dies ist gegenüber Markus eher eine Verbesserung (o. S.24).
108 Der Einschub selber kann eine Vorgeschichte haben, und es mag sein, daß er,
wie häufig angenommen wird, ursprünglich der Eingang zu einer Schilderung
der Auferstehung selber war. Aber damit ist noch nicht erklärt, warum Mat-
thäus dieses Stück in seinen anders gestalteten Bericht aufgenommen hat.
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chenraub in Wirklichkeit unmöglich passieren konnte und daß die entgegen-
gesetzte Behauptung nur auf bewußter, böswilliger Verleumdung beruht.
Wie meist, wenn eine solche tendenziöse Absicht leitend wird, hat der
Erzähler sein bestimmtes, apologetisches Ziel vor allem im Auge und achtet
darum nicht auf die Ungereimtheiten, die seine Erzählung rechts und links
davon nach sich zieht. Unsere Geschichte strotzt von Widersprüchen und
Unmöglichkeiten. Die Auferstehungsankündigung Jesu muß als allgemein
bekannt vorausgesetzt werden, damit die „Hohenpriester und Pharisäer“
sich danach auch richten können, und sie tun dies mit Genauigkeit: nur bis
zum vorgesehenen Zeitpunkt des dritten Tages ist die Wache notwendig
und wird mit dieser Begrenzung vom Landpfleger erbeten101. Die Sitzung,
bei der dies beschlossen wird, muß an einem Sabbath stattfinden — eine
Schwierigkeit, die Matthäus selbst empfunden zu haben scheint, wenn er
einer direkten Bezeichnung dieses Tages mit Hilfe einer künstlichen Um-
schreibung aus dem Wege geht102. Es widersteht ihm ferner, daß die himm-
lische Engelerscheinung, die Öffnung des Grabes und das Gespräch mit
den Frauen vor heidnischen Zeugen stattfinden soll. Darum werden die
Wachen im entscheidenden Augenblick von einem göttlichen Schrecken
befallen, sie „wurden wie Tote“103. Trotzdem geben sie nachher nicht etwa
Pilatus, sondern den jüdischen Hierarchen104 den nötigen Bericht über
„alles, was geschehen war“105. Und obgleich diese Bösewichte daraufhin
nur ihre eigenen Lügen bekanntgeben und verbreiten lassen106, wissen die
Christen, wie der Bericht zeigt, doch genauestens über alle Vorgänge Be-
scheid107.
Aber dies ist nicht die einzige Stelle, an der die apologetische Absicht
gegen die Juden bei Matthäus greifbar wird. Noch ein weiterer, merk-
würdiger Einschub läßt sich daraus erklären108. Im Gegensatz zum Mar-
101 Mt. 27, 63f.
102 Mt. 27, 62: rjj de ejtavgwv, fytig egt'iy jxeta rr]v JtaQacr%£ur]v.
103 Mt. 28, 4. Daß schon hier — wie später im Petrus- und im Hebräerevange-
lium — ungläubige Heiden zu „neutralen“ Zeugen des „angedeuteten“ Auf-
erstehungsvorgangs gemacht werden sollen, läßt sich m. E. nicht annehmen;
gegen Grass S. 25.
104 Das Petrusevangelium korrigiert 11, 43—49 auch diese Unmöglichkeit: Pilatus
empfängt zuerst den Rapport und gibt erst später, von „allen“ (jüdischen
Führern) bestürmt, den Schweigebefehl.
105 Mt. 28, 11.
106 Mt. 28, 13f.
107 Natürlich kann der Gang der Frauen zum Grabe jetzt auch nicht mehr mit
dem Salbungswunsch motiviert werden; sie kommen lediglich tfecoQf|croa VW
xacpov (28, 1). Aber dies ist gegenüber Markus eher eine Verbesserung (o. S.24).
108 Der Einschub selber kann eine Vorgeschichte haben, und es mag sein, daß er,
wie häufig angenommen wird, ursprünglich der Eingang zu einer Schilderung
der Auferstehung selber war. Aber damit ist noch nicht erklärt, warum Mat-
thäus dieses Stück in seinen anders gestalteten Bericht aufgenommen hat.