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Schadewaldt, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1959, 2. Abhandlung): Neue Kriterien zur Odyssee-Analyse: die Wiedererkennung des Odysseus und der Penelope — Heidelberg, 1959

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https://doi.org/10.11588/diglit.42460#0023
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Neue Kriterien zur Odyssee-Analyse

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am Ende des dreizehnten Gesanges (430 ff.) eingefügt, die seitdem
niemals wirklich rückgängig gemacht wurde18. Der Bearbeiter hatte
dies mit einer nachrechnenden Schärfe beobachtet, die einem moder-
nen Philologen alle Ehre machen würde. Er postulierte eine Art
Rückverwandlung des Odysseus und glaubte, diesem Postulat durch
das verschönende Bad genugzutun, das er aus dem sechsten Nausikaa-
Gesang (229 ff.) hier wiederholte19. Dies Bad verhilft dem Odysseus
unter dem Beistand der Athene zu seiner ursprünglichen Gestalt
zurück, bewirkt dies aber auf eine so gelinde, beiläufige, indirekte
Weise, daß die Wiedererkennungsszene dadurch nicht völlig aus der
Bahn geworfen wurde, wie dieses eingetreten wäre, wenn Odysseus
— wie ähnlich im sechzehnten Gesang (172 ff.) — durch einen direk-
ten Akt der Athene plötzlich zurückverwandelt worden wäre20. —
Kein schlechter Gedanke. Nur übersah unser Bearbeiter, daß in der
originalen Odyssee die äußerliche Rückverwandlung längst durch
die Handlung überholt war. Schon im achtzehnten Gesang läßt
Athene dem Odysseus vor seinem Zweikampf mit dem Bettler Iros
,die Glieder schwellen4, und die Freier sind erstaunt über seine star-
18 Das Problem hat Kirchhoff (545) gesehen, dem ich freilich nicht zu folgen
vermag, wenn er die Verwandlung überhaupt seinem ,Ordner“ der Odyssee zu-
schreibt und es für möglich hält, daß dieser „das selbst erfundene Motiv so
wenig festzuhalten verstand, daß er es gänzlich vergaß, die durch dasselbe
notwendig gewordene Rückverwandlung des Helden in seine ursprüngliche
Gestalt zum Schluß ins Werk zu setzen“ (559).
19 Dies Iterat (157—162) vermag ich nicht mit Von der Mühll 761; B.Marzullo,
,11 Problema Omerico“, Florenz 1952, 422 u. a., trotz des grammatisch harten
Anschlusses, lediglich für eine Rhapsoden-Interpolation zu halten. Dem Be-
arbeiter mußte daran gelegen sein, auch in seinem Zusammenhang die Ver-
schönerung des Odysseus kräftig zu betonen, wozu er sich, unbekümmert genug,
des Iterats aus dem 6. Buch bediente. Über die Funktion jener Verse dort vgl.
Hermes 1959, 20.
20 Dabei hat der Bearbeiter das Verwunderliche in Kauf genommen, daß Penelope
von der plötzlichen Verschönerung des wiederkehrenden Odysseus überhaupt
keine Notiz nimmt. Das oben Anm. 14 behandelte dyapai reicht dazu nicht
aus, Penelope müßte, ähnlich wie Telemachos 16, 181, in eine erregte Ver-
wunderung ausbrechen. Mehr als kurios auch der Gedanke Kirchhoffs und
anderer, der Bearbeiter habe, eben wegen dieses Ausbleibens einer Verwunde-
rung der Penelope, den Odysseus mit denselben Worten, die soeben Tele-
machos gesprochen hatte, gegen Penelope lospoltern lassen. Dies Iterat
(168—170 nach 100—102), das das liebevolle Scheltwort des Sohnes wirklich in
einen harten Vorwurf vergröbert (man beachte zuvor xfjp atepapvov 167), ist
bereits mit Recht als eine im Sinne originaler Dichtung nicht erträgliche
Iteration betrachtet worden.
 
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