Metadaten

Schadewaldt, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1959, 2. Abhandlung): Neue Kriterien zur Odyssee-Analyse: die Wiedererkennung des Odysseus und der Penelope — Heidelberg, 1959

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42460#0026
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
24

Wolf gang Schadewaldt

7.
Kehren wir von dem Bearbeiter, so wie dieser sich in den Ein-
lagen der Odyssee darstellt, zu der originalen A-Dichtung zurück,
so Enden wir in ihr überall jene organische, lebendig-gesetzmäßige,
musikalische Struktur, die wir sowohl in der Weckszene wie auch in
der Wiedererkennung des Odysseus mit Penelope angetroffen hat-
ten. Diese Struktur tritt auch in dem Rest des Buches von der
Wiedererkennung eindeutig hervor, sobald wir auch in diesem Rest
des Buches noch drei kleinere Einlagen des Bearbeiters B beseitigt
haben. Diese auch an sich verdächtigen Einlagen sind:
einmal die mit der von uns nachgewiesenen Haupteinlage aufs
engste zusammenhängenden Verse, in denen kurz erzählt wird,
wie Telemachos und die Hirten dem Tanz ein Ende machen
und sich zur Ruhe begeben (23, 297/99),
sodann in der Rede der Penelope, in der sie den Gatten bittet,
nicht zu zürnen, daß sie ihn nicht gleich bewillkommnet habe,
jenes ,unlogische“ Exemplum der Helena24, das Penelope mit
Helena in Parallele setzt (23, 218—224),
schließlich die Partie, in der Odysseus der eben wiedergewon-
nenen Frau erklärt, daß er sich alsbald erneut auf die Reise
machen müssen, um den Poseidon zu versöhnen (23,241 —28825).
Auch bei diesen drei Einlagen ist das Entscheidende, daß mit
ihrer Weglassung auch im Ausklang der Wiedererkennung dieselbe
streng-lebendige Struktur zutage tritt, die wir vom Beginn des
Buches an verfolgt haben.
Nach der Anerkennung des Odysseus durch Penelope zunächst,
wie ein musikalischer Akkord, jenes Gleichnis, in dem, mit einer
überraschenden und doch höchst sinngemäßen Vertauschung der
Rollen, die Frau nun als die Schiffbrüchige erscheint, die in den
Armen ihres Mannes jetzt den festen Boden des rettenden Landes
unter den Füßen fühlt (233—240). In bruchlosem Anschluß folgt
sodann (289—296) die Herrichtung des Lagers durch Eurynome und
Eurykleia sowie der zeremonielle Gang der beiden Gatten zum
Schlafgemach und der Stätte ihres alt-vertrauten Bettes. Und daran
wieder bruchlos anschließend (300 ff.) die Schilderung, wie die beiden
Gatten sich ihre Leiden erzählen. Penelope berichtet nur kurz von
24 Über diese schon in der Antike erkannte Eindichtung Von der Mühll 762 f.
25 Über diese Eindichtung vgl. nach Früheren Von der Mühll 764; W. Theiler,
Vermutungen zur Odyssee“, Museum Helveticum 7, 1950, 108.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften