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Engisch, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1960, 1. Abhandlung): Logische Studien zur Gesetzesanwendung — Heidelberg, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.42461#0124
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114

Karl Engisch:

Rechtsfrage bei der Revision oder für die juristische Unterschei-
dung von Tatirrtum und Rechtsirrtum im Strafrecht usw., so müß-
ten diese Ergebnisse sehr unwillkommen sein. Das Gesetz würde
dann für viele Fälle eine Unmöglichkeit fordern, und es bliebe in
der Tat nichts anderes übrig, als „den Knoten mit souveräner Würde
durchzuhauen“. Natürlich ist nicht zu leugnen, daß das Gesetz
den juristischen Unterschied auf eine logische Unterscheidung grün-
den kann. Ausschlaggebend ist aber, daß das Gesetz hierzu nicht
gezwungen ist. Und so ist denn auch mehr und mehr die Erkennt-
nis durchgedrungen, daß die juristischen Unterschiede sich nicht
wie selbstverständlich an den logischen Unterschieden zu orien-
tieren haben, sondern aus den besonderen juristischen Zusammen-
hängen heraus zu bestimmen sind. Was speziell zwei der jüngsten
Arbeiten zur Revision betrifft, nämlich das Buch von Schwinge
über die „Grundlagen des Revisionsrechts“ (1935) und den Aufsatz
von Peters über „Tat-, Rechts- und Ermessensfragen in der Re-
visionsinstanz“1, so nehmen sie bewußt für die Grenzziehung zwi-
schen „Tat- und Rechtsfrage“, d. h. hier genauer zwischen irrevi-
siblen und revisiblen Bestandteilen des vorinstanzlichen Urteils
Zweck und Funktion der Revision zum Leitfaden. Für Schwinge
besteht der Zweck der Revision als Rechtsinstitut vornehmlich in
der Wahrung der Rechtseinheit, Peters dagegen sieht ihren Zweck
in erster Linie in der Herbeiführung einer besseren und „gerech-
teren“ Entscheidung und stellt daher darauf ab, wieweit die Revi-
sionsinstanz in der Lage ist, „eine bessere und wertvollere Entschei-
dung herbeizuführen als die Vorinstanz“, wobei nach seiner Mei-
nung von maßgeblicher Bedeutung ist, daß die Vorinstanz ihr Urteil
auf der Grundlage einer mündlichen und unmittelbaren Verhand-
lung und Beweiserhebung gewonnen hat, während die Revisions-
instanz dieser Grundlagen ermangelt, dafür aber über juristisch
besonders befähigte und geschulte Richter verfügt. Für Schwinge
lautet der Leitsatz seiner Darlegungen, daß „sich der Revisions-
richter nur mit denjenigen Teilen des Urteils der Vorinstanz zu be-
fassen hat, dem Richtliniencharakter innewohnt“ und „daß all das,
1 ZStrW. 57, 1937, S. 53ff. De lege ferenda erwähne ich als besonders
interessant nur Schaffstein, Revision und Berufung im künftigen Strafver-
fahren, Deutsches Strafrecht 1935, S. 465ff., wozu Schwinge-Zimmerl, We-
sensschau und konkretes Ordnungsdenken, 1937, S. 95ff. Selbstverständlich
spielt in die Ausgestaltung der Revision und die Grenzziehung zwischen revi-
siblen und irrevisiblen Entscheidungsbestandteilen die politische Frage nach
der Bindung des Richters an das Gesetz hinein.
 
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