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Viktor Pöschl
Strophe 1
Wie ein strahlender Juwel, ein kunstvoll prangendes Geschmeide steht
die erste Strophe am Eingang des Gedichts. Keine andere Ode setzt ähnlich
leuchtend, ähnlich festlich-heiter, ähnlich süß und lockend ein2. Die zere-
monielle Anrede Tyrrheiza regum progenies läßt sich nur noch mit dem
Eingangsvers vergleichen, der die drei Odenbücher dem Freunde zueignet:
Maecenas atavis edite regibus. Aber wieviel kunstreicher ist sie hier durch
die stilistisch kostbare Enallage, den griechischen Namen am Anfang, das
hohe Wort progenies, das etwas von sakralem Glanze hat2, das pompöse
Rollen der Konsonanten und den sonoren Klang der e-Vokale: Tyrrhena
regum progenies. Das ist nicht Ironie4, wie Ed. Fraenkel glaubt, sondern
Huldigung. Wie in der Satire 1,6 will Horaz der Vorurteilslosigkeit des
Abkömmlings aus etruskischem Königsgeschlecht ein Denkmal setzen, der
in seiner Zuneigung zu dem Sohn des ehemaligen Sklaven die Überzeu-
gung bewährt, daß echte Freundschaft einer Sphäre angehört, in der Unter-
schiede der Geburt nicht mehr gelten. Wie dort will er aber auch die Be-
reiche abgrenzen5 und den Abstand hervorheben zwischen der hohen Stel-
2 Um den Glanz der Eingangsstrophe zu ermessen, vergleiche man das thematisch
ähnliche, jedoch viel schlichtere c. 3, 8, wo ebenfalls Maecenas zu einem klei-
nen Fest im Hause des Dichters eingeladen wird.
3 Vgl. die nova progenies der vierten Ekloge.
4 a. 0. 225: Horace seems to be speaking with a smile. Maecenas, however proud
he was of his descent, would have been startled if Horace, when inviting him
to a simple dinner at his place in the country, had seriously referred to his
guest’s royal ancestors. Fraenkel ist hier irregeleitet von der Vermutung
Heinzes, es handle sich um eine wirkliche „Einladung an Mäcenas, die wir
uns am liebsten auf dem sabinischen Landgut geschrieben und nach Rom ge-
sandt denken“. Die Frage, welcher ironischen Distanz der Dichter hinsichtlich
seiner pathetischen Aussagen und Maecenas hinsichtlich seiner Abstammung
fähig war, darf nicht mit dem Problem verquickt werden, welcher Ton im
Rahmen des Gedichtes intendiert ist. Die Anrede ist ebenso ernst, ebenso
feierlich-zeremoniell gemeint wie in dem Programmgedicht des Properz 3, 9:
Maecenas eques Etrusco de sanguine regum.
5 Daß die Hervorhebung der hohen Herkunft des Maecenas und seines hohen
Ranges in s. 1,6 und c. 3, 29 der Absicht entspringt, die Stellung des Maecenas
mit der des Dichters zu konfrontieren, und zwar so, daß auf die des Dichters
ein innerer Glanz fällt, wird ganz deutlich, wenn wir die anderen Maecenas-
anreden der Oden zum Vergleich heranziehen (c. 1, 1. 20. 2, 12. 17. 20. 3, 8.
16. 29; epo. 1. 3. 9. 14; s. 1, 1. 3. 6. 2, 8; epi. 1, 1. 7. 19). In einigen Gedichten
haben wir nur eine einfache Nennung des Namens. Überall dort aber, wo Stand
und Herkunft des Maecenas besonders herausgehoben werden, legt der Dichter
Wert darauf, die eigene Stellung davon abzusetzen. In c. 1, 20 wird der Freund
clare Maecenas eques angeredet, wobei das clare gegen die Handschriften, die
care haben, von Lambinus, Bentley, Heinze, Klingner und Ed. Fraenkel ver-
teidigt wird und im Sinne des Kontrastes, auf den es hier ankommt, in der Tat
besser paßt.
Viktor Pöschl
Strophe 1
Wie ein strahlender Juwel, ein kunstvoll prangendes Geschmeide steht
die erste Strophe am Eingang des Gedichts. Keine andere Ode setzt ähnlich
leuchtend, ähnlich festlich-heiter, ähnlich süß und lockend ein2. Die zere-
monielle Anrede Tyrrheiza regum progenies läßt sich nur noch mit dem
Eingangsvers vergleichen, der die drei Odenbücher dem Freunde zueignet:
Maecenas atavis edite regibus. Aber wieviel kunstreicher ist sie hier durch
die stilistisch kostbare Enallage, den griechischen Namen am Anfang, das
hohe Wort progenies, das etwas von sakralem Glanze hat2, das pompöse
Rollen der Konsonanten und den sonoren Klang der e-Vokale: Tyrrhena
regum progenies. Das ist nicht Ironie4, wie Ed. Fraenkel glaubt, sondern
Huldigung. Wie in der Satire 1,6 will Horaz der Vorurteilslosigkeit des
Abkömmlings aus etruskischem Königsgeschlecht ein Denkmal setzen, der
in seiner Zuneigung zu dem Sohn des ehemaligen Sklaven die Überzeu-
gung bewährt, daß echte Freundschaft einer Sphäre angehört, in der Unter-
schiede der Geburt nicht mehr gelten. Wie dort will er aber auch die Be-
reiche abgrenzen5 und den Abstand hervorheben zwischen der hohen Stel-
2 Um den Glanz der Eingangsstrophe zu ermessen, vergleiche man das thematisch
ähnliche, jedoch viel schlichtere c. 3, 8, wo ebenfalls Maecenas zu einem klei-
nen Fest im Hause des Dichters eingeladen wird.
3 Vgl. die nova progenies der vierten Ekloge.
4 a. 0. 225: Horace seems to be speaking with a smile. Maecenas, however proud
he was of his descent, would have been startled if Horace, when inviting him
to a simple dinner at his place in the country, had seriously referred to his
guest’s royal ancestors. Fraenkel ist hier irregeleitet von der Vermutung
Heinzes, es handle sich um eine wirkliche „Einladung an Mäcenas, die wir
uns am liebsten auf dem sabinischen Landgut geschrieben und nach Rom ge-
sandt denken“. Die Frage, welcher ironischen Distanz der Dichter hinsichtlich
seiner pathetischen Aussagen und Maecenas hinsichtlich seiner Abstammung
fähig war, darf nicht mit dem Problem verquickt werden, welcher Ton im
Rahmen des Gedichtes intendiert ist. Die Anrede ist ebenso ernst, ebenso
feierlich-zeremoniell gemeint wie in dem Programmgedicht des Properz 3, 9:
Maecenas eques Etrusco de sanguine regum.
5 Daß die Hervorhebung der hohen Herkunft des Maecenas und seines hohen
Ranges in s. 1,6 und c. 3, 29 der Absicht entspringt, die Stellung des Maecenas
mit der des Dichters zu konfrontieren, und zwar so, daß auf die des Dichters
ein innerer Glanz fällt, wird ganz deutlich, wenn wir die anderen Maecenas-
anreden der Oden zum Vergleich heranziehen (c. 1, 1. 20. 2, 12. 17. 20. 3, 8.
16. 29; epo. 1. 3. 9. 14; s. 1, 1. 3. 6. 2, 8; epi. 1, 1. 7. 19). In einigen Gedichten
haben wir nur eine einfache Nennung des Namens. Überall dort aber, wo Stand
und Herkunft des Maecenas besonders herausgehoben werden, legt der Dichter
Wert darauf, die eigene Stellung davon abzusetzen. In c. 1, 20 wird der Freund
clare Maecenas eques angeredet, wobei das clare gegen die Handschriften, die
care haben, von Lambinus, Bentley, Heinze, Klingner und Ed. Fraenkel ver-
teidigt wird und im Sinne des Kontrastes, auf den es hier ankommt, in der Tat
besser paßt.