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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1961, 1. Abhandlung): Die große Maecenas-Ode des Horaz (c. 3,29) — Heidelberg, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.44190#0023
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Die große Maecenasode des Horaz

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Auch ihrer Bewegungsrichtung nach sind die beiden Strophen im Ge-
gensinn einander zugeordnet. Während in der Eingangsstrophe die Gaben
sich in der Innigkeit der Zuneigung steigern, die Gefühle der Erwartung
immer ungeduldiger werden, verfinstert sich die zweite Strophe am Ende.
Das Telegoni iuga parricidae gehört in seiner dunklen Färbung schon der
unerfreulichen Welt der folgenden Strophe an, in dem das Mißbehagen
des Maecenas offen hervortritt. Es leitet zu der Gegenwelt über, der der
Dichter den Freund entreißen möchte: ein schönes Beispiel für die behut-
same Kunst des Dichters, Übergänge zu gestalten und vorzubereiten.
Die „musikalische“ Bedeutung, die das Mythologische im Vatermörder
Telegonus gewinnt, widerlegt die immer wieder aufgetischte Meinung,
daß es bei den Augusteern als alexandrinischer Zierat aufzufassen sei. Es
ist vielmehr zu einer subtilen Form poetischer Aussage und musikalischer
Bewegungsführung geworden.
Die Aufforderung, sich dem Säumen zu entreißen, wird intensiviert und
konkretisiert:
Strophe 3
Maecenas soll die Fülle und den Prunk verlassen11, die Überdruß erregen,
und den mächtigen Palast auf dem Esquilin mit seinem vermutlich terras-
sierten Turmaufbau, der turris Maecenatiana11*1, von der aus Nero den
Brand Roms beobachtete (Sueton Nero 38). Die moles, der wuchtige Palast,
wird durch propinquam nubibus arduis näher gekennzeichnet. Pollux nennt
im Onomasticon als Epitheton von Städten ολίγου ψαύουσαν των νεφελών,
έγγυτάτω των νεφών und Ed. Fraenkel12 vermutet, daß dem eine verlorene
Stelle eines hellenistischen Dichters zugrundeliege, was einmal mehr das
Verfahren des Horaz beleuchten würde, kostbare Steinchen aus antiker
Dichtung zu neuen Mustern zusammenzusetzen. Doch genügt Fraenkels
Hinweis auf ein mutmaßliches λλorbild nicht, um die Stelle verständlich zu
machen. Es schwingt etwas von Vermessenheit mit, die Vorstellung von
einer Macht, die sich allzu kühn zum Himmel erhebt, und von den Ge-
fahren, die sie bedrohen, etwas von dem Gedanken (c. 2, 10, 9):
saepius ventis agitatur ingens
pinus et celsae graviore casu
11 Zwei starke zur Ablehnung aufiordernde Imperative: desere und omitte sind
asyndetisch aneinandergereiht, was die Eindringlichkeit der Aufforderung er-
höht. Der Doppelpunkt, den Heinze und Klingner hinter arduis setzen, ist nicht
notwendig.
na Vgl. p. Grimal, Les maisons ä tour hellenistiques et romaines, Mel. d’arch. et
d’hist. 56, 1939, 28-59. Id. Les jardins romains, 1943, 276f.
12 a. O. 225, 3. Die Stelle spiegelt sich auch bei Antipater von Sidon wider (AP
9, 58), der den Tempel der ephesischen Artemis nennt: νεφέων αχρι θέοντα
δόμον.
 
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