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Viktor Pöschl
raffenden Strom der Zeit und macht ihn von allem Kommenden unabhän-
gig, macht ihn selbstgenügsam und heiter, wobei potens sui auf die Sou-
veränität, Autarkie und Freiheit des Weisen, laetus auf die epikureische
Heiterkeit zielt. Es ist der laetus in praesens animus der Ode 2, 16 Otium
divos, der die Widrigkeiten des Lebens mit Heiterkeit zu meistern ver-
steht.
So kann Horaz voller Pathos sagen: cras vel atra nube polum pater
occupato vel sole puro, wobei die hellen i-Vokale von cuz lzcet zn dzem
dz’xz’sse vz’xz wie ein helles Triumphsignal („ein herrlicher Trompetenstoß“:
W. Wili, Horaz, 1948, 230) den dunklen a-Vokalen: cras vel atra kon-
trastierend gegenübergestellt sind36.
Hierin liegt ein fast prometheischer Trotz. Das gleiche konzessive Ge-
füge leitet Goethes Prometheus ein:
Bedecke deinen Himmel, Zeus,
mit Wolkendunst . . .
Dies ist eine deutliche Erinnerung an unsere Horazode37.
Das machtvolle Gebaren des Himmels- und Schicksalsgottes nimmt
gleichsam das gewalttätige Werk des Flusses wieder auf. Der mythischen
Ausschmückung entspricht die feierliche Alliteration, die das Pathos der
Aussage unterstreicht (polum pater occupato vel sole puro) und der Ver-
gegenwärtigung der Gottheit besonders adaequat erscheint, die freilich nur
den Sieg des Menschen erhöhen soll. Über das Walten des Gottes, der hier
wie in der Ode c. 1, 34 Parcus deorum cultor mythische Verkörperung des
Schicksals ist, triumphiert, „was die flüchtige Stunde einmal gebracht hat“.
Durch die kühne Antithese erhält der flüchtige Augenblick, an dem selbst
testimonium qui assidue queritur, quod adversus praeterita simus ingrati, quod
quaecumque percepimus bona, non reducamus nec inter voluptates numeremus,
cum certior nulla sit voluptas quam quae iam eripi non potest. Usener Epic. fr.
436 = Plut. contra Epicuri beatitud. 18 p. 1099 d: τό μεμνήσθαι των προτέρων
αγαθών μέγιστόν έστιν προς τό ήδέως ζην. Vgl. auch GV 55 = Diano 99:
Θεραπευτέον τάς συμφοράς τη των άπολλυμένων χάριτι και τω γινώσκειν οτι
ούκ εστιν άπρακτον ποιήσαι τό γεγονός. Daß Horaz hier eine zentrale Lehre
Epikurs verkündet, steht außer Zweifel. Ph. Merlan, Epicureanism and Horace,
Journ. of the Hist, of Ideas, 10, 1949, 445-451, der die Unterschiede zwischen
Epikur und Horaz (namentlich hinsichtlich des Todesgedankens) herauszu-
arbeiten sucht, ist mit Recht auf c. 3, 29 nicht eingegangen, cf. Pindar 01. 2, 15.
38 Hier spricht nicht mehr der ille, sondern der Dichter. Hornsby a. O. 132 neigt
dazu, den ganzen Text von vixi bis zum Ende dem ille zu geben. Diese An-
nahme „einer angeblichen Rede, welche allabendlich der Glückliche sich hält“,
hat schon R. Helm, Reden in den Oden des Horaz, Philol. 90, 1935, 360ff.
gegen Lucian Müller (Ausg. I, S. 209, Kommentar, S. 334) und G. Pasquali,
Orazio lirico, 1920, 636 überzeugend abgelehnt.
37 E. Maas, Goethe und Horaz, Neue Jahrbücher 1917 erwähnt diese Berührung
nicht.
Viktor Pöschl
raffenden Strom der Zeit und macht ihn von allem Kommenden unabhän-
gig, macht ihn selbstgenügsam und heiter, wobei potens sui auf die Sou-
veränität, Autarkie und Freiheit des Weisen, laetus auf die epikureische
Heiterkeit zielt. Es ist der laetus in praesens animus der Ode 2, 16 Otium
divos, der die Widrigkeiten des Lebens mit Heiterkeit zu meistern ver-
steht.
So kann Horaz voller Pathos sagen: cras vel atra nube polum pater
occupato vel sole puro, wobei die hellen i-Vokale von cuz lzcet zn dzem
dz’xz’sse vz’xz wie ein helles Triumphsignal („ein herrlicher Trompetenstoß“:
W. Wili, Horaz, 1948, 230) den dunklen a-Vokalen: cras vel atra kon-
trastierend gegenübergestellt sind36.
Hierin liegt ein fast prometheischer Trotz. Das gleiche konzessive Ge-
füge leitet Goethes Prometheus ein:
Bedecke deinen Himmel, Zeus,
mit Wolkendunst . . .
Dies ist eine deutliche Erinnerung an unsere Horazode37.
Das machtvolle Gebaren des Himmels- und Schicksalsgottes nimmt
gleichsam das gewalttätige Werk des Flusses wieder auf. Der mythischen
Ausschmückung entspricht die feierliche Alliteration, die das Pathos der
Aussage unterstreicht (polum pater occupato vel sole puro) und der Ver-
gegenwärtigung der Gottheit besonders adaequat erscheint, die freilich nur
den Sieg des Menschen erhöhen soll. Über das Walten des Gottes, der hier
wie in der Ode c. 1, 34 Parcus deorum cultor mythische Verkörperung des
Schicksals ist, triumphiert, „was die flüchtige Stunde einmal gebracht hat“.
Durch die kühne Antithese erhält der flüchtige Augenblick, an dem selbst
testimonium qui assidue queritur, quod adversus praeterita simus ingrati, quod
quaecumque percepimus bona, non reducamus nec inter voluptates numeremus,
cum certior nulla sit voluptas quam quae iam eripi non potest. Usener Epic. fr.
436 = Plut. contra Epicuri beatitud. 18 p. 1099 d: τό μεμνήσθαι των προτέρων
αγαθών μέγιστόν έστιν προς τό ήδέως ζην. Vgl. auch GV 55 = Diano 99:
Θεραπευτέον τάς συμφοράς τη των άπολλυμένων χάριτι και τω γινώσκειν οτι
ούκ εστιν άπρακτον ποιήσαι τό γεγονός. Daß Horaz hier eine zentrale Lehre
Epikurs verkündet, steht außer Zweifel. Ph. Merlan, Epicureanism and Horace,
Journ. of the Hist, of Ideas, 10, 1949, 445-451, der die Unterschiede zwischen
Epikur und Horaz (namentlich hinsichtlich des Todesgedankens) herauszu-
arbeiten sucht, ist mit Recht auf c. 3, 29 nicht eingegangen, cf. Pindar 01. 2, 15.
38 Hier spricht nicht mehr der ille, sondern der Dichter. Hornsby a. O. 132 neigt
dazu, den ganzen Text von vixi bis zum Ende dem ille zu geben. Diese An-
nahme „einer angeblichen Rede, welche allabendlich der Glückliche sich hält“,
hat schon R. Helm, Reden in den Oden des Horaz, Philol. 90, 1935, 360ff.
gegen Lucian Müller (Ausg. I, S. 209, Kommentar, S. 334) und G. Pasquali,
Orazio lirico, 1920, 636 überzeugend abgelehnt.
37 E. Maas, Goethe und Horaz, Neue Jahrbücher 1917 erwähnt diese Berührung
nicht.