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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1961, 1. Abhandlung): Die große Maecenas-Ode des Horaz (c. 3,29) — Heidelberg, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.44190#0038
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Viktor Pöschl

Freundschaft der Epikureer, die im Zentrum der Lehre steht, ihre Voll-
endung. In ihr erfüllt sie ihren Sinn. So gesehen reiht sich die Ode des
Horaz an Maecenas in die Reihe ein, die von den Briefen Epikurs an
Idomeneus, den Tyrannen von Lampsakos40, zu Senecas Schrift De brevi-
tate vitae an den praefectus annonae Paulinus und zu seinen Briefen an
Lucilius, den Statthalter Siziliens, führt. Der Weise, der der Politik fern-
steht oder ihr den Rücken gekehrt hat, rät dem Politiker, sich soweit mög-
lich, ebenfalls daraus zurückzuziehen. Alkäische Lyrik und epikureische
Lehre sind so zu einer neuen Einheit verschmolzen.
Mit der Sternbilderstrophe beginnt sich, so sagten wir, eine neue Di-
mension zu öffnen. Das Hirtenidyll aber, das die ländliche Antwort auf
die sommerliche Hitze darstellt, bildet gleichsam den Anlauf zu der Welt-
weite des römischen Imperiums und den damit verbundenen Sorgen des
Maecenas. In der Antithese zwischen Hirten- und Maecenasstrophe wird
der Gegensatz aufgerissen zwischen dem Frieden ländlicher Geborgen-
heit und den Sorgen und Gefahren der politischen Welt, der Grundgegen-
satz zwischen Idylle und Politik, der die Hirtengedichte Virgils bestimmt.
Wie in den Hirtengedichten und im Lob des Landlebens des zweiten
Georgicabuches und vorher bei Lucrez wird auch in unserer Ode das länd-
liche Idyll zum Sinnbild eines noch heilen, arkadischen Bereiches, eines Da-
seins, das sich, wie Virgil sagt, um die res Romanae perituraqiie regiia
nicht kümmert. Die Windstille aber, in der die Hirtenstrophe endet (ca-
retque ripa vagis taciturna ventis), deutet auf die epikureische γαλήνη, die
im Gegensatz zur ταραχή des Maecenas steht. Wie seine mora, sein fasti-
dium, seine cura, sein mirari Symbole für Gebrechen und Unlustgefühle
sind, von denen die Lehre Epikurs den Menschen erlösen möchte, wie das
quod adest memento componere aequos auf epikureische Grundlehren hin-
deutet, so enthüllt die sommerliche Windstille ihre tiefere Bedeutung in
dem Bezug auf den epikureischen Seelenfrieden. Auf dem Schweben zwi-
schen konkreter Situation und ideeller Verknüpfung, zwischen Bild und
Gedanken beruht auch hier der Reiz der Erfindung. Es ist der Vorzug der
horazischen Dichtung, daß sie die hellenistische Lebensphilosophie wieder
in das Vorphilosophische, Ursprünglich-Natürliche, von der Doktrin Un-
belastete zurücknimmt und es so ungezwungen mit Gedanken der grie-
chischen Lyrik verschmelzen kann, die die Weisheit der hellenistischen
Lebensphilosophie antizipieren und prägen. Die Rückverwandlung des
Philosophischen in das Mythisch-Poetische und der Rückgriff auf die alten
Dichter entspringt dem Willen zum Einfachen und Ursprünglichen, also
einem spezifisch klassischen Impuls.
40 H. Mutschmann, Seneca und Epikur, Hermes 50, 1915, 321-356, insbes. 330ff.
Auch das oben (S. 12 Anm. 9) zitierte Fragment, das sich inhaltlich mit der
Horazode berührt und ohne Fundstelle bei Stobaeus zitiert wird, wurde von
Usener einem Briefe Epikurs an Idomeneus zugeschrieben.
 
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