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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1961, 1. Abhandlung): Die große Maecenas-Ode des Horaz (c. 3,29) — Heidelberg, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.44190#0041
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Die große Maecenasode des Horaz

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heit des Dichters, der Fortunens Gunst wohl zu genießen (laudo manen-
tem), aber auch auf sie zu verzichten weiß. Er ist innerlich frei genug, sich
ihrer Macht zu entziehn:
Strophe 14
Überraschend biegt hier Horaz ins Persönliche um und persönlich
bleibt das Gedicht bis zum Ende. Fortunens Geschenke sind ihm nur Leih-
gaben, die er bereitwillig zurückgibt (resigno'), wenn sie sich launisch von
ihm abwendet. Er stößt sie nicht von sich, aber bewahrt sich ihr gegenüber
die innere Freiheit. Es ist die Haltung des Aristipp, der sowohl das Bettler-
gewand wie den Purpurmantel zu tragen weiß (Diog. 2, 8, 67: σοί μόνφ
δέδοται καί χλανίδα φέρειν καί ράκος), die Einstellung, der Horaz in der
Scaevaepistel vor der des Kynikers Diogenes den Vorzug gibt (epi. 1, 17,
29):
personamque feret non inconcinnus utramque
(Diog. 2, 8, 66: ήν δέ ικανός άρμόσασθαι καί τόπο) καί χρόνω καί προσ-
ώπω καί πάσαν περίστασιν άρμοδίως ύποκρίνασθαι) Aristipp besaß den
animus aequus, den der Kernsatz unserer Ode verlangt, wie er auch mit
verwandter Formulierung praesentibus aequus genannt wird (epi. 1, 17,
24). Wie in der Epistel Quinque dies tibi pollicitus (1, 7) ist Horaz bereit,
die Gaben Fortunas (und das heißt zugleich die des Maecenas) zurück-
zugeben (epi. 1, 7, 34: cuncta resigno), dort, um seine Freiheit wieder-
zuerlangen, hier im Fall, daß Fortuna ihm ihre Gunst entziehen sollte.
Die wunderbare Gelassenheit des Dichters, der zum Genuß wie Verzicht
in gleicher Weise bereit ist, bedient sich der Formulierungen griechischer
Lebensphilosophie, aber sie wurzelt wie diese Philosophie auf dem festen
und gesunden Grund südlicher Volksweisheit, auf der Menschlichkeit, Le-
bensklugheit und Geduld des einfachen italienischen und griechischen Vol-
kes, wie es sich durch die Jahrtausende bis auf den heutigen Tag bewahrt
hat. Das Tibergleichnis, das uns lehrt, die Katastrophen der Geschichte
und des Schicksals als unentrinnbare Naturkatastrophen anzusehen, denen
man mit Gelassenheit zu begegnen hat, kommt ganz aus dieser einfachen,
bäurischen Lebensweisheit. So ist die Botschaft unserer Ode nur eine Sub-
limierung tief eingewurzelter Elemente südlicher Humanität: daß die Ode
in ihren Kerngedanken der Weisheit des italischen Volkskindes Horaz
Ausdruck gibt, verleiht ihr die tiefe und bezwingende, einfache und natür-
liche Wahrheit.
Der unverläßlichen Gunst Fortunas hat er etwas Bleibendes entgegen-
zusetzen: mea virtute me involvo41 (wobei die Synaloephe die einhüllende
41 Der Ausdruck stammt, wie die Kommentare vermerken, von Plato, Politeia 457 a,
wo von den Frauen der Wächter gesagt wird: αρετήν αντί ίματίων άμφιέσονται.
 
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