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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1961, 1. Abhandlung): Die große Maecenas-Ode des Horaz (c. 3,29) — Heidelberg, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.44190#0042
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32

Viktor Pöschl

Gebärde gut wiedergibt: abbildende Wortfügung). Der schalkhafte Ton42
mildert die an sich höchst selbstbewußte Aussage.
Echt horazisch tritt die pauperies neben die virtus, beide in Entsprechung
am Versanfang und durch vorangehendes Enjambement akzentuiert. Statt
der mächtigen Dirne Fortuna ist Horaz bereit, das brave Mädchen Pau-
peries ohne Mitgift zur Braut zu nehmen. Wieder wird mit Vorstellungen
gespielt, die dem Stil etwas scherzhaft Anzügliches geben. Horaz erweist
sich hierin wie auch in anderer Hinsicht als Ahnherr der romanischen
Moralistik und Essayistik, deren Stil gerade dieser Zug einen besonderen
Reiz verleiht, mag man an Montaigne, Anatole France oder Ortega y Gas-
set denken. Die Heiterkeit ist Ausdruck des Lächelns, mit dem der Dichter
dem Entschweben Fortunas nachschaut, das ihn nicht berührt. Hier be-
währt sich die Mahnung amara lento temperet risu (c. 2, 16, 26f.), die
für Horaz so charakteristisch ist. In verwandelter Gestalt erscheinen in den
letzten Strophen
Strophe 15 und 16
die beiden Bereiche des Anfangs wieder. So kehrt das Gedicht nach schein-
barer Entfernung, die in Wirklichkeit Vertiefung und Erweiterung war,
wieder zum Ausgang zurück. Virtus und pauperies, die tragenden Kräfte
im Bereich des Dichters, werden Fortuna entgegengesetzt. Damit wird
auf einmal deutlich, daß sie nur dem anderen Bereich angehört und nur
dort Macht hat, in der Sphäre der Reichen. Wie in der ersten Römerode
scheint sie es nur auf die Mächtigen abgesehen zu haben. In dem familiä-
ren, der privaten Sphäre angehörigen non est meum, das im Ton dem
plerumque der Strophe 4 verwandt ist, hebt sich der Dichter ab von der
großen Welt, die durch die Africae procellae und die den Horizont wei-
tenden, rhythmisch und lautlich prunkvollen Cypriae Tyriaeque merces
mächtig eingeführt wird; vor allem aber distanziert er sich von den miserae
preces und vota der um ihren Reichtum Bangenden. Es sind die elenden
Gebete der Mächtigen in Seenot, die Lucrez verhöhnt (5, 1226ff.) und die
die Horazode 2, 16 einleiten43.
Otium divos rogat in patenti
prensus Aegaeo, simul atra nubes
condidit lunam.
Die Habsucht ist es im Grunde, die diese Menschen beten lehrt. Ihr gilt
der verächtliche Ton des Dichters (v. 58/9).
Während die Menschheit sich so selber in Aufruhr hält, kann der Dich-
ter von sich sagen:
42 Zutreffend Ed. Fraenkel a. 0. 226: While asserting his own independence he
good-humouredly parodies the boasting of the rigid satellites of virtue.
43 Vgl. meine Arbeit Die Curastrophe der Otiumode des Horaz, Hermes 84, 1956.
 
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