Metadaten

Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1961, 1. Abhandlung): Die große Maecenas-Ode des Horaz (c. 3,29) — Heidelberg, 1961

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44190#0045
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die große Maecenasode des Horaz

35

sie auch mit der epikureischen Überzeugung überein. Im Brief Epikurs an
Menoikeus lesen wir: „die Götter nehmen die, die ihnen ähnlich sind, in
ihre Gemeinschaft auf“, und bei Philodem, den Horaz wahrscheinlich per-
sönlich gekannt hat, ist davon die Rede, daß die Weisen Freunde der
Götter und die Götter Freunde der Weisen seien49. Horaz, der Dichter
und Weise, vermag den göttlichen Segen durch das rechte Verhalten auf
sich zu ziehen, ebenso wie die Toren, die sich der Machtgier und Hab-
sucht verschreiben, das Unglück attrahieren. Er gewinnt selber Wunder-
kraft und nähert sich dem göttlichen Bereich, das meint das Gleichnis der
wunderbaren Bootsfahrt: ώς θεός έν άνθρώποις.Εεοε res magna habere im-
becillitatem hominis, securitatem dei (Seneca ep. 53, 12).
Die Gewalten, die sich dem Menschen und seinem Glück drohend ent-
gegenstellten: die Völker an den Grenzen des Imperiums - der Strom des
Schicksals in seiner zerstörenden Gewalt - Juppiter, der den Himmel mit
schwarzem Gewölk bedeckt - Fortuna in ihrem grausamen Spiel - die
Stürme, die die Kauffahrer mit Vernichtung bedrohen: sie sind nun be-
zwungen.
So faßt der Schluß der Ode alle Fäden zusammen: während der Anfang
den Aufruf zur festlichen Freude und Erquickung enthielt und alles
Weitere als Aufforderung zum Ergreifen des Augenblicks aufgefaßt wer-
den konnte und als Beiseiteschieben des Dunklen, das den Menschen be-
droht, werden hier am Schluß die Schicksalsmächte nicht weggeschoben,
sondern besänftigt und verwandelt: tutum per Aegaeos tumultus nimmt
die Gewalt der zerstörenden Tiberüberschwemmung noch einmal in das
Gedicht hinein, aber bannt ihre zerstörende Kraft. Dieses Zusammenfassen
des Ganzen in einem versöhnenden Abschluß ist ein Charakteristikum des-
sen, was man die „Satzkunst“ in der augusteischen Dichtung nennen
kann50: Alle Themen des Gedichtes werden am Schluß vereinigt und ver-
söhnt. Aus unberechenbaren, launischen und bösen Mächten sind segnende
geworden: der Dichter weiß sich, mit der Gottheit im Bunde, allen Stür-
men gewachsen. Weisheit und Dichtung vereint haben das Heil gebracht.
Schauen wir von diesem Ende noch einmal auf das Ganze zurück, so
ergibt sich eine wunderbare Stufung. Wie bei den anderen Schöpfungen
klassischer Kompositionskunst - in der Architektur der römischen Kaiser-
zeit, der italienischen Malerei der Klassik, der klassischen Musik - sind
auch in den Kompositionen der lateinischen Poesie, wie sie uns am voll-
endetsten in Virgil, Horaz und Ovid entgegentreten, mehrere Ordnungen
übereinandergelagert und ineinander verwoben, so daß sich für die ein-
zelnen Bauteile reizvolle Mehrdeutigkeiten ergeben, je nachdem wir sie

49 Wolfg. Schmid a. 0. 120ff.
50 Diese „Satzkunst“ der augusteischen Dichtung habe ich an der Sulmonaelegie
Ovids auf gezeigt: ,Ovid und Horaz“, Rivista di Cultua Classica e Medievale 1,
1959,lff.

3*
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften