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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1961, 1. Abhandlung): Die große Maecenas-Ode des Horaz (c. 3,29) — Heidelberg, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.44190#0047
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Die große Maecenasode des Horaz

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zum Ausdruck kommt. Stilistisch spiegelt sich das darin, daß dem größe-
ren Prunk der Anfangsgruppe die größere Schlichtheit des Schlußteiles
antwortet.
Von den persönlich gehaltenen Außengruppen ist die Kerngruppe Stro-
phe 5-12 eingefaßt, in der das Ich des Dichters zurücktritt. Wir haben sie
oben ausführlich analysiert (S.27ff.). Diese Kerngruppe enthält die stärksten
Gegensätze und Spannungen, die grandiosen Bilder, in denen die „Mäch-
te“, die das Leben beherrschen, ihren Ausdruck finden: die Sterne - die
Völker des Imperiums - der Strom als Sinnbild weitreichender Katastro-
phen - der Weltengott - der Weise.
Die erste Hälfte dieser Kerngruppe (Strophe 5-8) ist stilistisch betrach-
tet immer noch durch das kunstvolle „Muster“ der Anfangsgruppe ge-
kennzeichnet: wieder haben wir drei Strophen mit je einem Trikolon:
die drei Sternbilder; der Schatten, der Fluß, das Dickicht Silvans; die
drei Völkerschaften und als Abschluß das Lächeln des Gottes über des
Menschen Torheit. Die strenge Geformtheit ist offenkundig, und die ge-
naue Verteilung der Sinngruppen auf die einzelnen Strophen, wobei jede
Strophe eine Antithese zur vorangehenden bildet, entspricht dieser stren-
gen und klaren Ordnung. Die zweite Hälfte der Kerngruppe (9-12) ist
dagegen tumultuarisch. Die Form ist gesprengt. Die Strophengrenzen sind
gleichsam verschoben. Viermal hintereinander setzt die Sinneinheit erst
in der zweiten Hälfte des ersten Verses ein. Es entstehen neue strophen-
artige Gebilde, in denen sozusagen auch eine neue Form des alkäischen
Elfsilblers auftritt, die mit einem Daktylus beginnt. Eine Übersicht der
Verse, nach Sinngruppen geordnet, mag die Verschiebung der Strophen-
grenzen, das die Versgrenzen sprengende Anwachsen der Glieder und das

Auftauchen neuer ,Verse“ verdeutlichen:
cetera fluminis ritu feruntur 11 Silben
nunc medio alveo cum pace 9 „
delabentis Etruscum in mare51 9 „
nunc lapides adesos stirpisque raptas 12 „
et pecus et domos volventis una 11 „
non sine montium clamore vicinaeque silvae, 15 „
cum fera diluvies quietos irritat amnis. 15 „
ille potens sui laetusque deget, 11 „
cui licet in diem dixisse vixi. 11 „
cras vel atra nube polum pater occupato
vel sole puro, 19 „

51 Die höchst seltene Synaphie Etruscum/in mare beruht also im Grund darauf,
daß sich hier gleichsam ein neuer alkäischer Neunsilbler gebildet hat.
 
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