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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1961, 1. Abhandlung): Die große Maecenas-Ode des Horaz (c. 3,29) — Heidelberg, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.44190#0051
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Die große Maecenasode des Horaz

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Botschaft, mit der der Dichter den Leser entläßt. Sie steht in enger thema-
tischer Beziehung zur ersten Römerode, die das dritte Odenbuch einleitet.
Die feierliche Ankündigung von carmina non prius audita, die der Jugend
Roms zu Gehör gebracht werden sollen, darf auch auf dieses das Buch
krönende Gedicht bezogen werden. Wie 3, 29 stellt die erste Römer-
ode den Ängsten und Sorgen der Mächtigen den ländlichen Bereich der
Freiheit und das glückliche Dasein des Dichters gegenüber. Auch sie ist
eine epikureisch gefärbte Botschaft54. Wie sie bei den Königen einsetzt
(Regum timendorum Imperium est Iovis) und mit dem zufriedenen Dichter
endet, der nicht „mühevollere Reichtümer“ gegen sein Sabinertal ein-
tauschen möchte, so beginnt 3, 29 mit dem Königssproß, der von den
Sorgen und Ängsten seiner Stellung bedrängt wird, und klingt aus in der
heiteren Fahrt des Dichters durch die Stürme des Lebens.
Aber 3, 29 steht auch in Beziehung zu 1, 1, nicht nur hinsichtlich der
Anrede, sondern auch in der Abgrenzung des dichterischen Daseins von
andern Berufen.
Blicken wir nun auf die vorletzten Gedichte der ersten beiden Bücher,
so ergibt sich zunächst, daß auch diese Gedichte (c. 1, 37 Nunc est biben-
dum und 2, 29 Ba-:chum in remotis) ebenso wie c. 3, 29 alkäische Gedichte
sind, wodurch die besondere Bedeutung des Alkaios für Horaz unterstrichen
wird. Inhaltlich sind alle drei Oden von stärkstem Gewicht: Nunc est bi-
bendum ist die Verherrlichung des Sieges von Aktium, die geistreich und
menschlich nobel nicht die Verherrlichung des Augustus zum Hauptthema
wählt, sondern die Königin, die königlich zu sterben wußte. In 2, 19 Bac-
chum in remotis, dem schönsten Dionysosgedicht des Horaz, wird die Be-
rufung des Dichters durch den Gott Dionysos (Bacchum . . . vidi . . . credite
posteri) angedeutet, in der Gestalt des Dichtergottes aber die erlösende,
todbezwingende Gewalt der Dichtung symbolisiert. 3, 29 aber ist die
epikureische Botschaft, die den Freund zum Glück führen will. Die Ode
ist das einzige löstrophige alkäische Gedicht des Floraz. Das ist gewiß
kein Zufall. Ebensowenig wird es ein Zufall sein, daß die beiden andern
Gedichte an gleich hervorgehobener Stelle je 8 Strophen haben (ebenso
wie das letzte Gedicht des vierten Odenbuches)55. Daß auch hier alkäische
Großstrophen intendiert wären, wie in c. 3, 29, würde ich nicht zu be-
haupten wagen. Wahrscheinlich ist c. 3, 29 der einzige horazische Versuch,
die Struktur der alkäischen Strophe ins Große zu projizieren. Der Ver-
such, das Prinzip der alkäischen Strophe gleichsam in drei Dimensionen
durchzuführen, war nur in einem löstrophigen Gedicht möglich.
In den drei durch ihre Stellung und Thematik herausgehobenen Ge-
dichten sind drei Formen des Alkaios nachgestaltet und Überboten: das
54 Vgl. Die Einheit der ersten Römerode, Harv. Class. Stud. 63, 1958, 333ff.
55 Acht Strophen hat von den alkäischen Oden sonst nur noch c. 3, 2.
 
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