VORREDE
In den modernen Arbeiten über Ciceros Schrift <de officiis> taucht
immer wieder das Argument auf, Cicero habe im Drange der poli-
tischen Geschäfte diese Schrift nicht mehr recht fertigstellen können1.
Damit soll eine Reihe von Anstößen erklärt werden.
Es wird in dieser Arbeit nicht bestritten, daß Ciceros Schrift
Zeichen der Eile aufweist.
Ein großer Teil der Anstöße - sowohl im gesamten Aufbau wie
auch an einzelnen Stellen - dürfte jedoch eine andere Ursache haben:
In de officiis sind zwei ganz verschiedene Tendenzen zu erkennen.
Sie gehen von verschiedenen Ausgangspunkten aus und haben eine
verschiedene Methode. Vielleicht gelingt es in dieser Arbeit, die
beiden Tendenzen voneinander abzusetzen. Damit dürfte das Ver-
ständnis der Schrift gefördert und zugleich ein Einblick darein ver-
mittelt werden, welche Kräfte die Gedanken des Panaitios umformten.
Die beiden Tendenzen können wir an Stellen, die man eindeutig
entweder dem Panaitios oder Cicero zuweisen kann, am klarsten
bestimmen2. Diese Partien dienen uns aber nur als Ausgangspunkte,
1 So A. Goldbacher: Zur Kritik von Ciceros Schrift De officiis. I. Über den
unvollendeten Zustand derselben. Sitz.-Ber. der Ak. d. Wiss. Wien, phil.-hist.
Klasse, 196. Band, 3. Abh., 1921. - Goldbachers Gedanken wurden von K.
Atzert in seiner Ausgabe von <de officiis», Leipzig: Teubner 1923 übernommen
und weiter ausgeführt. In der 4. Auflage allerdings (1963) hat er sich (p. XXVII)
unter dem Eindruck von J. Brüsers Dissertation (Der Textzustand von Ciceros
de officiis, Köln 1949) von seiner früheren Annahme, daß Randmarginalien
Ciceros in dem Konzept bei der Veröffentlichung in den Kontext gedrungen
seien, distanziert. Jetzt meint er (p. XXIV ss.), daß Textverderbnisse an Stellen
wie 1,31; 1,40; 111,28; 1,120 aus Zusätzen in der antiken Überlieferung der
Schrift entstanden sind. -
Auch Μ. Pohlenz, Führertum, 8, glaubte an Marginalien von Ciceros Hand. -
Ähnlich auch G. Rudberg, Ein Cicerokonzept, Zu de off. I, Symbolae Osloenses
IX (1930) 1-27; vgl. auch K.B. Thomas: Textkritische Untersuchungen zu
Ciceros Schrift de officiis (1971).
2 Das ist natürlich an den Stellen leicht möglich, an denen Cicero sich einerseits
mit Namensnennung auf Panaitios beruft (1,7,9; 11,16,35,51,60,76,88; 111,18,34),
oder andererseits ,wo er in eigenem Namen Kritik an Panaitios übt (1,7,8,152,161;
11,86; 111,7-10,33) oder ihn auf eigene Faust ergänzt (111,34).
Außerdem dürften Passagen wie z.B. de off. 1,11-13 als Gut des Panaitios er-
wiesen sein, wenn sich in <de finibus» (einer Schrift mit einer anderen Zielsetzung -
vgl. unten S. 20) derselbe Gedankengang bis ins einzelne schon einmal findet.
In den modernen Arbeiten über Ciceros Schrift <de officiis> taucht
immer wieder das Argument auf, Cicero habe im Drange der poli-
tischen Geschäfte diese Schrift nicht mehr recht fertigstellen können1.
Damit soll eine Reihe von Anstößen erklärt werden.
Es wird in dieser Arbeit nicht bestritten, daß Ciceros Schrift
Zeichen der Eile aufweist.
Ein großer Teil der Anstöße - sowohl im gesamten Aufbau wie
auch an einzelnen Stellen - dürfte jedoch eine andere Ursache haben:
In de officiis sind zwei ganz verschiedene Tendenzen zu erkennen.
Sie gehen von verschiedenen Ausgangspunkten aus und haben eine
verschiedene Methode. Vielleicht gelingt es in dieser Arbeit, die
beiden Tendenzen voneinander abzusetzen. Damit dürfte das Ver-
ständnis der Schrift gefördert und zugleich ein Einblick darein ver-
mittelt werden, welche Kräfte die Gedanken des Panaitios umformten.
Die beiden Tendenzen können wir an Stellen, die man eindeutig
entweder dem Panaitios oder Cicero zuweisen kann, am klarsten
bestimmen2. Diese Partien dienen uns aber nur als Ausgangspunkte,
1 So A. Goldbacher: Zur Kritik von Ciceros Schrift De officiis. I. Über den
unvollendeten Zustand derselben. Sitz.-Ber. der Ak. d. Wiss. Wien, phil.-hist.
Klasse, 196. Band, 3. Abh., 1921. - Goldbachers Gedanken wurden von K.
Atzert in seiner Ausgabe von <de officiis», Leipzig: Teubner 1923 übernommen
und weiter ausgeführt. In der 4. Auflage allerdings (1963) hat er sich (p. XXVII)
unter dem Eindruck von J. Brüsers Dissertation (Der Textzustand von Ciceros
de officiis, Köln 1949) von seiner früheren Annahme, daß Randmarginalien
Ciceros in dem Konzept bei der Veröffentlichung in den Kontext gedrungen
seien, distanziert. Jetzt meint er (p. XXIV ss.), daß Textverderbnisse an Stellen
wie 1,31; 1,40; 111,28; 1,120 aus Zusätzen in der antiken Überlieferung der
Schrift entstanden sind. -
Auch Μ. Pohlenz, Führertum, 8, glaubte an Marginalien von Ciceros Hand. -
Ähnlich auch G. Rudberg, Ein Cicerokonzept, Zu de off. I, Symbolae Osloenses
IX (1930) 1-27; vgl. auch K.B. Thomas: Textkritische Untersuchungen zu
Ciceros Schrift de officiis (1971).
2 Das ist natürlich an den Stellen leicht möglich, an denen Cicero sich einerseits
mit Namensnennung auf Panaitios beruft (1,7,9; 11,16,35,51,60,76,88; 111,18,34),
oder andererseits ,wo er in eigenem Namen Kritik an Panaitios übt (1,7,8,152,161;
11,86; 111,7-10,33) oder ihn auf eigene Faust ergänzt (111,34).
Außerdem dürften Passagen wie z.B. de off. 1,11-13 als Gut des Panaitios er-
wiesen sein, wenn sich in <de finibus» (einer Schrift mit einer anderen Zielsetzung -
vgl. unten S. 20) derselbe Gedankengang bis ins einzelne schon einmal findet.