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Gärtner, Hans Armin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1974, 5. Abhandlung): Cicero und Panaitios: Beobachtungen zu Ciceros "De officiis" ; vorgel. am 12. Jan. 1974 v. Viktor Pöschl — Heidelberg: Winter, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.45448#0014
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Hans Armin Gärtner

Arten der Fragestellung. Doch auch hier erscheint ihm Panaitios
ergänzungsbedürftig (§ 10): es müßten noch zwei Fragestellungen
hinzukommen: Was ehrenhafter sei, wenn sich zwei ehrenhafte
Verhaltensweisen anbieten, und entsprechend, was nützlicher sei
bei zwei möglichen nützlichen Verhaltensweisen3.
Faßt man Ciceros Kritik an Panaitios in Buch I und III zusammen,
so hat Panaitios:
1) am Beginn der Abhandlung das Thema nicht definiert,
2) hat er in der <Gliederung> - Cicero sagt <divisio> § 104) - zwei
Punkte nicht gebracht und
3) hat er von den erwähnten drei Fragestellungen die letzte nicht
behandelt. Darum hat Cicero eine «gewisse Korrektur» ange-
bracht (III,7).
Man muß sich nun allgemein fragen, ob diese Kritik und Korrektur
bei einem Werk berechtigt ist, über das Rutilius Rufus nach dem
3 Bei der Interpretation der Einführung des <decorum> (S. 26ff.) werden wir sehen,
daß dort die nachträgliche Systematisierung sich nicht im Voranschicken von
Definitionen ausgewirkt hat, wie hier in 1,7-9, sondern zu einer Überlagerung
der ursprünglich empirischen Beweisführung durch verschiedene Definitionen
geführt hat.
4 Μ. Fuhrmann, Das systematische Lehrbuch, Göttingen (1960), bringt viele
Hinweise auf die Bedeutung der <Einteilung> (griech. διαίρεσις, lat. divisio).
Schon an der rhetorischen Techne des Anaximenes (4. Jhdt. v. Chr.) stellt er
fest (S. 17), daß die auffälligste logische Operation dieser Techne die Einteilung
ist. Anaximenes bezeichnet sie mit διαιρεϊν, einmal auch mit διαίρεσις. Bei
den Darstellungsschemata pflegen die Einteilungen bes. deutlich abgehoben zu
werden (a.O. 25). - Aufbau und Methode rhetorischer und philosophischer
Lehrbücher waren später gleich (a.O. 155). Catos Werk <de agricultura> zeigt
zwar nicht diese Systematik und Methode, aber dann die Libri ad Herennium
und Ciceros de inventione. Die Methodologie wird in den römischen Werken
viel rigoroser angewendet als in der Techne des 4. Jhdts (a.O. 157-159). Für
unsere Frage ist noch wichtig, daß die termini technici für die Einteilung im
Latein <dividere> und <divisio> sind (a.O. 47, 72, 92, und 110). <divisio> kann die
Spaltung eines Oberbegriffes in Unterbegriffe bedeuten, daneben werden oft so
Dispositionsschemata bezeichnet, die lediglich die leitenden Gesichtspunkte
eines Abschnittes ankündigen (a.O. 72, so bei Varro). Die Einteilungen enthalten
gewöhnlich zwei, drei oder mehr Glieder, die meist aufgezählt (unum genus,
alterum, tertium etc.) oder durch Konjunktionen verknüpft werden.
Von daher erhalten Ciceros vorwurfsvolle Sätze erst ihr ganzes Gewicht<...
tribus generibus propositis> (III,7) «obwohl er doch drei Dispositionsglieder
angekündigt hat», <de duobus generibus primis tribus libris explicavit, de tertio
autem genere deinceps se scripsit dicturum nec exsolvit id, quod promiserat.>
Ferner III,9: Nam qui e divisione tripertita duas partes absolverit, huic necesse
est restare tertiam. - Man spürt die Autorität der Lehrbuchtradition hinter diesen
Worten.
Vgl. K. Abel, Antike und Abendland 17, 1971, 140-142.
 
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