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Gärtner, Hans Armin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1974, 5. Abhandlung): Cicero und Panaitios: Beobachtungen zu Ciceros "De officiis" ; vorgel. am 12. Jan. 1974 v. Viktor Pöschl — Heidelberg: Winter, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.45448#0023
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Cicero und Panaitios

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ausführlich genannt werden sie dann im Anschluß an das Platozitat
in § 15. Statt der einen Kardinaltugend, die stellvertretend für die
anderen in de fin. 11,52 stand (<sapientia>), erscheint hier der Über-
begriff <honestum> als Ursache für die Liebe.
Gerade die Variation im Detail der Formulierung in de fin. und
de off. bei gleichem gedanklichem Zusammenhang (die vier Kardinal-
tugenden als Ursache der Liebe) dürfte ziemlich sicher darauf hin-
weisen, daß Cicero diesen Gedankenzusammenhang, d. h. diese
Verwendung des Platozitates schon bei Panaitios vorfand. Panaitios
dürfte also die Aussage Platos, die sich zunächst nur auf die φρόνησις
bezog, auf die vier Kardinaltugenden ausgedehnt haben6.
Man muß sich nun nach dem Sinn dieser Zitierung fragen. Es
wurde oben gezeigt, daß sich in de off. 1,15 das Platozitat nahtlos
an die vorangehenden Erörterungen, speziell an die über das <decorum>
anschließt. Das Zitat kennzeichnet einen Höhepunkt der Dar-
legungen und soll das <honestum> im Rang den platonischen Ideen
annähern. Trotzdem muß man sich fragen, ob Panaitios nicht eine
Fülle anderer unproblematischer Zitate aus Plato zur Verfügung
standen, um das <honestum> in die Nähe der platonischen Ideen
zu rücken7.

6 Plato sagt ja auch an unserer Stelle, daß auch «alles andere, was liebenswert ist»,
kein so deutliches Abbild von sich bietet. In 250 b hieß es:» die Gerechtigkeit und
Mäßigung und was sonst der Seele schätzenswert ist, haben irdische Abbilder,
die nicht glänzen. ..». - Plato spricht in diesem Zusammenhang deutlich von
den Kardinaltugenden, gibt aber dem Schönen wegen seiner größeren Sichtbarkeit
auf Erden den Vorzug vor ihnen. - Panaitios wird mit seinem kurzen Zitat auf
den ganzen Zusammenhang hinweisen wollen. Wie nun, wenn eine der Kardinal-
tugenden, die Mäßigung, diese größere Sichtbarkeit hätte? Dann hätte sie einen
Vorrang vor den anderen Tugenden! - Genau das werden wir bei der Besprechung
des <decorum, quod elucet in vita> sehen (S. 54ff.).
7 Μ. Pohlenz, Führertum, S. 21, kann die Funktion des Platozitates im Zusammen-
hang nur so erklären, daß man hinter dem <honestum> das καλόν, das «Sittlich-
schöne» empfindet. Panaitios habe an letzter Stelle als Naturtrieb den Trieb
zur schönen Gestaltung des Lebens gezeigt. Später würde man noch sehen, wie
sich dieser Trieb im gesamten Denken und Handeln auswirkt .. . Auf das Schöne
sei also der Mensch als λογικόν ζωον angelegt. - Dieser Deutung kann man nur
zustimmen. Doch muß man noch deutlicher hervorheben, was in dieser Deutung
impliziert ist: Die Menschen können nämlich nicht nur die Schönheit (το κάλλος),
sondern auch das Sittlichschöne (τό καλόν, bei Cicero dann <honestum>) empfinden.
Natürlich gibt es auch bei Plato die geistige Schau. In Platos Theätet (151e 2)
stellt Theätet als erste Definition der Erkenntnis auf: Erkenntnis ist Wahr-
nehmung (επιστήμη = αϊσθησις). Diese Definition wird dann (184 b 7-187 b 3)
widerlegt. Dabei wird unterschieden zwischen «vermittels dessen» wir etwas
sehen und «womit» wir etwas sehen. Wir sehen vermittels der Augen; das sind
die Werkzeuge. Vermittels dieser Kräfte des Körpers (185 e 6/7) stellt die Seele
 
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