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Gärtner, Hans Armin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1974, 5. Abhandlung): Cicero und Panaitios: Beobachtungen zu Ciceros "De officiis" ; vorgel. am 12. Jan. 1974 v. Viktor Pöschl — Heidelberg: Winter, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.45448#0041
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Cicero und Panaitios

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leicht zu erkennen ist.» Der ungezwunge Gegensatz zur «tiefsinnigen
Überlegung» ist das «evident sein». Für diese Übersetzung44 spricht
auch die Formulierung des nächsten Satzes. Es wäre in Ciceros
Gedankengang eine sinnlose Wiederholung des Vorangehenden, läge
nicht ein besonderes Gewicht auf dem <intellegere>. Man «erkennt»
das <decorum> in jeder Tugend. Dazu paßt dann weiter, daß man
mehr mit dem Denken, d.h. mit der Theorie, als in der Wirklichkeit
eine Scheidung vornehmen kann. Wichtig ist, daß Cicero in den
systematisierenden Partien im Bereich der Theorie bleibt. Die Aus-
drücke der Sichtbarkeit (<apparet> und <in promptu esse>) dienen
ihm zur Bezeichnung der Evidenz.
Nun ist es die geläufige Meinung45, daß überall in diesem Zu-
sammenhang <apparet> und ähnliche Ausdrücke mit: «in Erscheinung
44 Wie bei <apparet> (vgl. Anhang II) sind auch bei <in promptu esse> beide Bedeu-
tungen (<klar sein> und «augenfällig sein») möglich.
H. Merguet, Lexikon zu den philosophischen Schriften Ciceros, Bd. 2 (1892)
S. 271b, bringt für <in promptu esse> 9 Stellen.
Ohne Belang für unsere Frage sind: de fin. 11,119: <haec ipsa mihi erunt in promptu
quae modo audivi»; «Die Argumente, die ich eben hörte, werden mir zur Hand
sein». So auch Acad. 1,4,11,10 und de off. I, 61.
Die Bedeutung: «leicht erkennbar sein», «deutlich sein», «evident sein», die wir
an unserer Stelle (de off. 1,95) vertraten, findet sich noch an weiteren: de
off. 1,6: <quae quamquam ita sint in promptu, ut res disputatione non egeat,
tarnen sunt a nobis alio loco disputata».
de off. 11,74: <Quarum qualis comparatio fieri soleat et debeat, non est necesse
disputare; est enim in promptu; tantum locus attingendus fuit».
Wie an unserer Stelle wird die «Erörterungsbedürftigkeit», d.h. Unklarheit der
«Deutlichkeit», «Klarheit», «Evidenz» gegenübergestellt. Eine Übersetzung mit
«In Erscheinung treten» liegt außerhalb dieses Gegensatzes.
Ähnlich steht es auch mit de off. 11,68; <illud non sunt admonendi - est enim in
promptu -, ut animadvertant, ... ne quos offendant». Als Übersetzung bietet
sich ungezwungen an: «Es ist nämlich deutlich», «liegt auf der Hand». Ähnlich
ist übrigens auch «apparet» de off. 1,145 (vgl. S. 74ff.) gebraucht. Auch de div.
11,124; <Haec quoque in promptu fuerint, nunc interiora videamus», «Auch das
dürfte auf der Hand liegen, jetzt wollen wir das Geheimere sehen», paßt zu den
oben angeführten Stellen. Die Stelle ist jedoch generell umstritten, vgl. A.S. Pease
(1923) z.St. Die Parallelität der Stellen de off. 1,6 und 11,74 zu de off. 1,95 spricht
eindeutig für die Übersetzung: «leicht erkennbar sein», «deutlich sein» an dieser
Stelle.
Von den anderen Belegen für Wendungen mit <in promptu» bringt Tusc. 111,55
<in promptu habere» in der Bedeutung: «zur Hand haben», de off. 1,105 und
acad. 11,46 in der Bedeutung: «sich vor Augen halten», «sich darüber klar sein»
(vgl. H. Merguet, Lex. z. d. phil. Schriften Cic. Bd. 2, S. 131a).
Nur die Formel: <in promptu ponere» de off. 1,126 (H. Merguet a.O.Bd. 3,184a)
fordert die Übersetzung «sichtbar machen».
Doch ist diese Stelle wegen des anderen Zusammenhanges gegenüber den drei
Offizienstellen (oben zweiter Abschnitt) ohne Beweiskraft.
45 So Pohlenz, Führertum, S. 60; K. Atzert, Vom pflichtgemäßen Handeln,
 
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