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Gärtner, Hans Armin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1974, 5. Abhandlung): Cicero und Panaitios: Beobachtungen zu Ciceros "De officiis" ; vorgel. am 12. Jan. 1974 v. Viktor Pöschl — Heidelberg: Winter, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.45448#0049
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Cicero und Panaitios

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Es muß zunächst noch in beiden Sätzen das jeweilige Verhältnis
des ersten zum zweiten Teil untersucht werden. Beide Male haben
wir ja denselben Vergleich. Wir fragen nun nach der Beziehung der
beiden Bestandteile des Vergleichs.
Sie ist beim zweiten Satz deutlich:
a) Die Dichter sehen angesichts der großen Vielfalt der Charaktere
- auch bei schlechten was jeweils paßt und sich ziemt.
b) Entsprechend sollen die Menschen sich bemühen, gemäß (<cum
.. . constantiae etc. partes datae sint>) ihrer naturgegebenen Rolle
sich gegenüber den Mitmenschen, die hier den Zuschauern von § 97
entsprechen, zu betragen. Die Folge dieser Rücksichtnahme auf die
Mitmenschen (<reverentia>) ist die <approbatio>60, die Zustimmung
der Menschen, die dem Beifall der Zuschauer im Vergleich entspricht.
Anders steht es mit dem ersten der beiden Sätze. Hier ist die
Bezogenheit der beiden Teile des Vergleichs nicht vorhanden:
a) Die Dichter beurteilen nach dem Charakter, was sich ziemt,
b) uns aber hat die Natur einen Charakter mit großem Vorrang
vor den Tieren gegeben.
Es gäbe nun zwei Möglichkeiten, den Vergleich konsequent zu
gestalten.
1) Vom Nachsatz her: «Die Dichter geben dem, der auftritt, einen
bestimmten Charakter, uns aber hat die Natur einen Charakter mit
Vorrang .. . gegeben». Dann fehlt aber das <iudicabunt>61. Außerdem
ist es im Hinblick auf die Fakten der antiken Literatur seltener, daß
die Dichter den Charakter eines Bühnenhelden selber bilden62.
60 Zur Bedeutung der <approbatio> vgl. S. 54fi.
61 Dieses «Beurteilen» ist durch das parallele <videbunt> (Anfang § 98) und durch
den Einleitungssatz von § 97 als wesentlicher Bestandteil gesichert: <decorum,
quod poetae sequuntur>, d.h. es geht hier um das Beurteilen nach einem Maßstab
(vgl. auch S. 49-50).
62 Der Charakter der einzelnen Gestalten ist im allgemeinen durch den Mythos
festgelegt. Das wird an den Beispielen, die Cicero (Anfang von § 97) bringt,
deutlich. Durchaus sachgemäß sagt Cicero, die Dichter würden nach dem
Charakter wie z.B. des Atreus und des Minos beurteilen, was einem jeden (zu
sagen) ziemt. Nur ist dieses Beurteilen der Dichter, was einem jeden Charakter
ziemt, nicht parallel zu: <nobis autem personam ipsa imposuit natura>. Parallel
zu diesem Charaktergeben durch die Natur ist das Charaktergeben durch den
Mythos.
Nach Ciceros Beispielen (aus Accius, Klotz, Scaen. Rom. Frg., I Nr. 203, 226 und
Warmington, Remains of old Latin II, Nr. 168, 190) scheint in diesem Zusam-
menhang nicht an die Komödie gedacht worden zu sein. Aber auch dort wird
man sagen müssen, daß der Charakter entweder durch die historische Per-
sönlichkeit (etwa Sokrates bei Aristophanes) oder durch den Menschentyp
(eben den «Charakter»), vgl. Dyskolos des Menander, festgelegt ist.
 
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