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Hans Armin Gärtner
Vorteil durch den Nachteil eines anderen Menschen mehrt, ist das
mehr gegen die Natur als der Tod, als Armut, als Schmerz, als das
übrige, das dem Körper oder dem äußeren Besitz zustoßen kann,
denn es hebt das menschliche Zusammenleben und die menschliche
Gemeinschaft in ihrer Grundlage auf» (vgl. auch 31). Er betont dann
(33 und 34) noch weiterhin, daß nur das <honestum> um seiner selbst
willen erstrebt werden müsse. Er beruft sich noch einmal auf Panaitios,
der die Einheit von <honestum> und <utile> behauptet und deshalb
auch nur von einem Widerstreit des scheinbar nützlichen mit dem
<honestum> gesprochen hatte. Deshalb habe Panaitios, meint Cicero
weiter, diesen scheinbaren Widerstreit eingeführt, nicht, damit wir
manchmal den Nutzen dem Ehrenhaften vorzögen, sondern damit
wir dies ohne Irrtum unterscheiden könnten, wenn die Frage auf-
tauchte.
Bei der Entfaltung, die Cicero der dritten von Panaitios erwähnten
Fragestellung (1,9) gab, handelt es sich um eine Anleitung zum rechten
Erkennen des wahren <utile>. Damit entspricht übrigens Cicero
genau der Fragestellung.
Diese Abhandlung ist von der des Panaitios in zwei wesentlichen
Zügen verschieden: Einmal zeigt die konsequente Entfaltung, die
Cicero der dritten Fragestellung gibt, daß es ihm primär um die
Methode der rechten Fragestellung geht. Zum anderen wird trotz
aller Dementis von Cicero das <utile> doch als ein Wertmaßstab
neben dem <honestum> eingeführt. Panaitios fragte der allgemeinen
stoischen Ansicht folgend nur nach dem <honestum> als dem einzig
Guten (III,12)5. Er bezeichnete (111,34) die Trennung von <utile> und
<honestum> als das schlimmste Unheil, das über die Menschen ge-
kommen sei. Mit Recht sagt Cicero an dieser Stelle, daß Panaitios
von dieser Grundeinstellung ausgehend die Erörterung des Wider-
streites von <honestum> und <utile> nicht hätte einführen dürfen.
Panaitios mag wohl von diesem scheinbaren Widerspruch gesprochen
haben, er hat ihn aber - das ist das Entscheidende - nicht erörtert.
5 Vgl. die Ausführungen bei der Einführung des <utile> (11,9 und 10), ferner 111,18.
Hans Armin Gärtner
Vorteil durch den Nachteil eines anderen Menschen mehrt, ist das
mehr gegen die Natur als der Tod, als Armut, als Schmerz, als das
übrige, das dem Körper oder dem äußeren Besitz zustoßen kann,
denn es hebt das menschliche Zusammenleben und die menschliche
Gemeinschaft in ihrer Grundlage auf» (vgl. auch 31). Er betont dann
(33 und 34) noch weiterhin, daß nur das <honestum> um seiner selbst
willen erstrebt werden müsse. Er beruft sich noch einmal auf Panaitios,
der die Einheit von <honestum> und <utile> behauptet und deshalb
auch nur von einem Widerstreit des scheinbar nützlichen mit dem
<honestum> gesprochen hatte. Deshalb habe Panaitios, meint Cicero
weiter, diesen scheinbaren Widerstreit eingeführt, nicht, damit wir
manchmal den Nutzen dem Ehrenhaften vorzögen, sondern damit
wir dies ohne Irrtum unterscheiden könnten, wenn die Frage auf-
tauchte.
Bei der Entfaltung, die Cicero der dritten von Panaitios erwähnten
Fragestellung (1,9) gab, handelt es sich um eine Anleitung zum rechten
Erkennen des wahren <utile>. Damit entspricht übrigens Cicero
genau der Fragestellung.
Diese Abhandlung ist von der des Panaitios in zwei wesentlichen
Zügen verschieden: Einmal zeigt die konsequente Entfaltung, die
Cicero der dritten Fragestellung gibt, daß es ihm primär um die
Methode der rechten Fragestellung geht. Zum anderen wird trotz
aller Dementis von Cicero das <utile> doch als ein Wertmaßstab
neben dem <honestum> eingeführt. Panaitios fragte der allgemeinen
stoischen Ansicht folgend nur nach dem <honestum> als dem einzig
Guten (III,12)5. Er bezeichnete (111,34) die Trennung von <utile> und
<honestum> als das schlimmste Unheil, das über die Menschen ge-
kommen sei. Mit Recht sagt Cicero an dieser Stelle, daß Panaitios
von dieser Grundeinstellung ausgehend die Erörterung des Wider-
streites von <honestum> und <utile> nicht hätte einführen dürfen.
Panaitios mag wohl von diesem scheinbaren Widerspruch gesprochen
haben, er hat ihn aber - das ist das Entscheidende - nicht erörtert.
5 Vgl. die Ausführungen bei der Einführung des <utile> (11,9 und 10), ferner 111,18.