Metadaten

Bulst, Walther [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1975, 1. Abhandlung): Carmina Leodiensia — Heidelberg: Winter, 1975

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45454#0032
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
22

Walther Bulst

Der folgende Text ist an wenigstens drei Stellen verderbt: v.23
juror es L, lies sorores (sc. Belides) Z, v.48 populis L, lies propriis (sc.
officiis') Z, desgleichen v.30 speres in LZ, lies saperes. So ist nicht ein-
mal anzunehmen, dafi auch nur die vom Donator dem Schreiber zur
Abschrift gegebene Vorlage ein Autograph des Verfassers war, - wie
anzunehmen ware, wenn der Donator selber die Orpheus-Dichtung
verfaBt hatte.
Wie ist aber das Verhaltnis der prooemia zu verstehn? Welches
liegt voraus? DaB Z jiinger ist ais L, besagt nichts. Das prooem. Z ist
biindig. Aes aurum squalent erscheint in L, mit schlechtem hysteron-
proteron {pereunt: senescunt), nur allgemein ausgefiihrt oder auszu-
fiihren gesucht mit dem nachgetragenen Hexameter Omnia etc. Ahn-
lich verhalt sicli der nachgetragene v.a des prooem. L: CTzrmme qui
gaudes et in usu carminis audes zu v.b ... mens tua quod sit ibi wie
eine bloBe Amplification. Ist es zufallig, daB das prooem. L, ohne die
nachgetragenen Verse, aus den vv. b und d allein bestehn konnte, wie
das prooem. Z aus zwei Versen besteht? Die Absonderlichkeit, daB
beide Pentameter sind, erinnert an carm. II 6.7, wie auch an die bei-
den Pentameter II 2.4, die, ohne den eingefiigten Hexameter II 3, mit
II1 zusammen desgleichen allein bestehn konnten. Solche Befunde
legen es nahe, im prooem. L die Umbildung des anderen nodi gleich-
sam ‘in statu nascendi’ zu sehen.
Zu fragen ist: was meint carmina mitto tibi im prooem. L ? carmen
vermag ebensowohl einen Vers, Hexameter oder Pentameter10, wie
eine Dichtung in Versen zu bedeuten; carmina braucht also nicht mehr
ais eine Dichtung zu meinen. Von fiinf Hexametern des Petrus Da-
miani (f 1072) lautet der 4. Carmina quot scripsi, totidem tibi ligna
poliui; andere fiinf beginnen Quot digitis scribo, totidem tibi carmina
Hand wie II 3 (Officii etc., mit s in uoluntas), ebenso interlinear nachgetrage-
nen v.c des prooem. L; sie schreibt s auch am Anfang des Wortes (im Innern f,
crefcunt, senefcunt). Die nachgetragenen vv. a und c haben gemein auch das
tironische 7 (7 in usu, 7 adulta), das in der Orpheus-Dichtung selbst in L nicht
begegnet.
10 Ovid., ep.XV 5sq., Sappho an Phaon:
forsitan et, quare mea sint alterna, requiris,
carmina, cum lyricis sim magis apta modis,
- namlich Disticha, (cf. Boethius, cons.I m.i:
Carmina qui quondam studio florente peregi,
flebilis heu maestos cogor inire modos.)

Vgl. unten S.42.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften