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Walther Bulst
gers der Handschrift genannt ist, die ‘Physiognomonia’ ais ihren
Hauptteil50; von den iibrigen Prosen verlautet nichts.
Ausgenommen die eigenen Verse des Donator sind alie Carmina
und Rithmi ‘Amatoria’, in dem Sinne des Wortes, wie Schmeller es ge-
braucht hat59 60. Nicht vertreten sind alie anderen Arten ‘weltlicher’
Dichtung, mit Amatoria aber gerade solche Genera oder Subgenera,
die anders ais andere, zwar audi nicht-kirchlidie und nicht-geistliche
Dichtung, mit geistlichem Denken unvereinbar sind. Die Antinomie
wird im letzten der Amatoria, VII: ‘De uictoria Amoris’ resignierend
hingenommen61, - in weiter Ferne von Marbods beiden Capitula, III
‘De meretrice’ und IV ‘De matrona’, des Liber .x. capitulorum62.
Die vom Donator gesammelten, in keinem Falle verfaEten Ama-
toria hatten fur ihn, dem an den theoretischen Prosen hauptsachlich
gelegen war, solchen heterogenen Reiz, dafi er die grofien Worte
aes aurum squalent, carmina sola ualent
sich zu eigen machte63, und sie mit den Prosen und eigenen Versen zu
seinem donum vereinigte, ohne daE sie einander weiter beriihren ais
im Epilog der ‘Physiognomonia’.
Carm.I und VI stehn beide audi im Paris, lat.14193, - der dafiir
sowenig auf L zuriickzufuhren ist wie L auf ihn. Der Hergang des
Zustandekommens der Sammlung, schon ob iiberhaupt eine der Vor-
lagen der Liitticher Handschrift auch nur zwei der Carmina oder die
beiden Rithmi enthalten hat, wird schwerlich noch je zu erhellen sein.
Ais Zeitraum, in dem sie ihm begegnet waren, sind einigermafien
wahrscheinlich die quinque ariste vorzustellen, nach welchen er wie-
dergekehrt war64; eine Mdglichkeit, ihre Sammlung chronologisch
naher zu datieren ais wohl nodi in das XI. Jahrhundert besteht kaum.
Um 1100 hatte Marbod schon angefangen, den Liber .x. capitulorum
59 Uber andere Zusammenstellungen metrischer und rhythmischer Texte mit Pro-
sen vgl. P. G. Schmidt, Die mittellateinischen Dichtungen im Liber floridus, in:
‘Liber floridus’-Colloquium, Gent 1973, S.51ff.
60 Carmina Burana, p.H5(—231); von O. Schumann, (C. B., 12, 1941) ungliicklich
verdeutscht ais “Liebeslieder”, - nicht allein, indem viele darunter nicht sind,
was deutsch “Lieder” heiflt, - aufler man verstiinde darunter ‘Amatoria’.
61 Vgl. oben S.26.
62 Vgl. Bulst, Studien, S.224ff.
63 Vgl. oben S.21f.
64 Vgl. oben S.35f.
Walther Bulst
gers der Handschrift genannt ist, die ‘Physiognomonia’ ais ihren
Hauptteil50; von den iibrigen Prosen verlautet nichts.
Ausgenommen die eigenen Verse des Donator sind alie Carmina
und Rithmi ‘Amatoria’, in dem Sinne des Wortes, wie Schmeller es ge-
braucht hat59 60. Nicht vertreten sind alie anderen Arten ‘weltlicher’
Dichtung, mit Amatoria aber gerade solche Genera oder Subgenera,
die anders ais andere, zwar audi nicht-kirchlidie und nicht-geistliche
Dichtung, mit geistlichem Denken unvereinbar sind. Die Antinomie
wird im letzten der Amatoria, VII: ‘De uictoria Amoris’ resignierend
hingenommen61, - in weiter Ferne von Marbods beiden Capitula, III
‘De meretrice’ und IV ‘De matrona’, des Liber .x. capitulorum62.
Die vom Donator gesammelten, in keinem Falle verfaEten Ama-
toria hatten fur ihn, dem an den theoretischen Prosen hauptsachlich
gelegen war, solchen heterogenen Reiz, dafi er die grofien Worte
aes aurum squalent, carmina sola ualent
sich zu eigen machte63, und sie mit den Prosen und eigenen Versen zu
seinem donum vereinigte, ohne daE sie einander weiter beriihren ais
im Epilog der ‘Physiognomonia’.
Carm.I und VI stehn beide audi im Paris, lat.14193, - der dafiir
sowenig auf L zuriickzufuhren ist wie L auf ihn. Der Hergang des
Zustandekommens der Sammlung, schon ob iiberhaupt eine der Vor-
lagen der Liitticher Handschrift auch nur zwei der Carmina oder die
beiden Rithmi enthalten hat, wird schwerlich noch je zu erhellen sein.
Ais Zeitraum, in dem sie ihm begegnet waren, sind einigermafien
wahrscheinlich die quinque ariste vorzustellen, nach welchen er wie-
dergekehrt war64; eine Mdglichkeit, ihre Sammlung chronologisch
naher zu datieren ais wohl nodi in das XI. Jahrhundert besteht kaum.
Um 1100 hatte Marbod schon angefangen, den Liber .x. capitulorum
59 Uber andere Zusammenstellungen metrischer und rhythmischer Texte mit Pro-
sen vgl. P. G. Schmidt, Die mittellateinischen Dichtungen im Liber floridus, in:
‘Liber floridus’-Colloquium, Gent 1973, S.51ff.
60 Carmina Burana, p.H5(—231); von O. Schumann, (C. B., 12, 1941) ungliicklich
verdeutscht ais “Liebeslieder”, - nicht allein, indem viele darunter nicht sind,
was deutsch “Lieder” heiflt, - aufler man verstiinde darunter ‘Amatoria’.
61 Vgl. oben S.26.
62 Vgl. Bulst, Studien, S.224ff.
63 Vgl. oben S.21f.
64 Vgl. oben S.35f.