Das Problem der Adelphen des Terenz
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marchais’ Drama. Das Problem der Identifikation der Zuschauer mit den
Figuren eines Stückes ist komplizierter, als es manchen Interpreten er-
scheinen will. Manchmal ist es sogar so, daß man auf seinen Doppelgänger
eine besondere Wut hat und sich freut, wenn ihm übel mitgespielt wird.
Schaut man schließlich auf das Ergebnis des Stückes und das Schluß-
tableau, das sich auf der Bühne darbietet, so bleibt auch hier von dem Sieg
des Demea nicht viel übrig: Micio hat den geliebten Sohn, dessen Frau
und seinen Enkel ins Haus geholt und dadurch, daß er die Schwieger-
mutter ehelicht, hat er die Schwiegertochter noch mehr in der Hand. Im
Grunde ist es eine glückliche Familie. Den frechen Syrus hat er zwar
verloren, dafür aber den braven Geta, den treuen Haussklaven der armen
Bürgerfamilie, gewonnen, der nun seinem Hausstand angehören wird.
Demea aber hat den Sohn mit dem Bordellmädchen im Haus. In einem
Wutanfall hat er früher einmal geäußert, er wolle sie hart arbeiten lassen,
aber damit wird er kaum Erfolg haben. In diesem Punkt ist er wirklich
gedemütigt. Denn er denkt kaum anders als der alte Chremes im „Selbst-
quäler“ des Terenz (ebenfalls nach Menander). Chremes empfindet es als
eine Schande, daß sein Sohn mit einer Hetäre in das Haus seines Nach-
barn eingezogen ist (1034 ff.). Schließlich ist nicht zu übersehn, daß die
legitime Nachkommenschaft des Bruderpaars — und das gilt für Rom wie
für Athen — nur durch die Ehe des Miciozöglings mit der civis Attica,
einer Ehe sui 7rai3cov yv-yplcov gewährleistet ist, nicht aber durch
etwa zu erwartende Kinder aus dem Konkubinat des Ctesipho, und das
ist nicht das geringste Plus für Micio. Demea hatte sich anderes erträumt.
Aber auch Micios Überlegenheit erleidet eine Einbuße. Keinesfalls
jedoch war es die Absicht des Terenz — ebensowenig wie die des Men-
ander — Micios Programm am Ende zurückzunehmen, sondern sie wollten
dem Stück einen lustigen und versöhnlichen Abschluß geben, Terenz noch
stärker als Menander. Obwohl die Konzessionen, die Demea dem Micio
abnötigt, ihn bei seinem glücklichen Naturell nicht so treffen, wie Demea
es in seiner Bosheit möchte, verliert der Micio des Terenz angesichts des
Ansinnens, Sostrata zu heiraten, dennoch die Fassung und — zum ersten
Mal im Stück — seine heitere Überlegenheit: entschlüpft ihm doch das un-
wirsche Wort von der anus decrepita. Bei der letzten Konzession, dem
Darlehen an das in Freiheit entlassene Sklavenehepaar, gibt er sogar eine
ausweichende Antwort. Umgekehrt ist Demea — ebenfalls zum ersten Mal
im Stück — bereit, Geld herauszurücken. Er will den Preis der entlassenen
Sklavenfrau dem Bruder zur Verfügung stellen:
postremo a me quanti est sumito.
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marchais’ Drama. Das Problem der Identifikation der Zuschauer mit den
Figuren eines Stückes ist komplizierter, als es manchen Interpreten er-
scheinen will. Manchmal ist es sogar so, daß man auf seinen Doppelgänger
eine besondere Wut hat und sich freut, wenn ihm übel mitgespielt wird.
Schaut man schließlich auf das Ergebnis des Stückes und das Schluß-
tableau, das sich auf der Bühne darbietet, so bleibt auch hier von dem Sieg
des Demea nicht viel übrig: Micio hat den geliebten Sohn, dessen Frau
und seinen Enkel ins Haus geholt und dadurch, daß er die Schwieger-
mutter ehelicht, hat er die Schwiegertochter noch mehr in der Hand. Im
Grunde ist es eine glückliche Familie. Den frechen Syrus hat er zwar
verloren, dafür aber den braven Geta, den treuen Haussklaven der armen
Bürgerfamilie, gewonnen, der nun seinem Hausstand angehören wird.
Demea aber hat den Sohn mit dem Bordellmädchen im Haus. In einem
Wutanfall hat er früher einmal geäußert, er wolle sie hart arbeiten lassen,
aber damit wird er kaum Erfolg haben. In diesem Punkt ist er wirklich
gedemütigt. Denn er denkt kaum anders als der alte Chremes im „Selbst-
quäler“ des Terenz (ebenfalls nach Menander). Chremes empfindet es als
eine Schande, daß sein Sohn mit einer Hetäre in das Haus seines Nach-
barn eingezogen ist (1034 ff.). Schließlich ist nicht zu übersehn, daß die
legitime Nachkommenschaft des Bruderpaars — und das gilt für Rom wie
für Athen — nur durch die Ehe des Miciozöglings mit der civis Attica,
einer Ehe sui 7rai3cov yv-yplcov gewährleistet ist, nicht aber durch
etwa zu erwartende Kinder aus dem Konkubinat des Ctesipho, und das
ist nicht das geringste Plus für Micio. Demea hatte sich anderes erträumt.
Aber auch Micios Überlegenheit erleidet eine Einbuße. Keinesfalls
jedoch war es die Absicht des Terenz — ebensowenig wie die des Men-
ander — Micios Programm am Ende zurückzunehmen, sondern sie wollten
dem Stück einen lustigen und versöhnlichen Abschluß geben, Terenz noch
stärker als Menander. Obwohl die Konzessionen, die Demea dem Micio
abnötigt, ihn bei seinem glücklichen Naturell nicht so treffen, wie Demea
es in seiner Bosheit möchte, verliert der Micio des Terenz angesichts des
Ansinnens, Sostrata zu heiraten, dennoch die Fassung und — zum ersten
Mal im Stück — seine heitere Überlegenheit: entschlüpft ihm doch das un-
wirsche Wort von der anus decrepita. Bei der letzten Konzession, dem
Darlehen an das in Freiheit entlassene Sklavenehepaar, gibt er sogar eine
ausweichende Antwort. Umgekehrt ist Demea — ebenfalls zum ersten Mal
im Stück — bereit, Geld herauszurücken. Er will den Preis der entlassenen
Sklavenfrau dem Bruder zur Verfügung stellen:
postremo a me quanti est sumito.