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Der Sinn von Sein in der älteren griechischen Philosophie
Notwendig-sein der Axiome (Beispiel der Satz vom Widerspruch, 71a 14).
Mit dem letzteren tritt man schon unter die Bedeutung des Wahr-seins,
also einen prädikativen Sinn, ein. Im ersteren aber fällt der Begriff der
Existenz mit dem der Essenz zusammen; denn Sätze wie «es gibt Zahlen»
(76 b 18) behaupten weniger ein Vorhanden-sein als ein Wesen (τι έστιν).
So kann Aristoteles Met. E 1 (1025 b 17) sagen: «Der Nachweis des τι έστιν
wie des εί έστιν ist Sache eines und desselben Denkakts». Er sagt: eines
Denkakts, nicht: der Erfahrung. Existenz wäre in erster Linie eine Sache
der Erfahrung. (Vgl. Frege, Dialog mit Pünjer über Existenz.)
In Δ 7 ist das Seiende, von dem die Akzidentien ausgesagt werden, seiend
nicht als existentes, sondern als ein Etwas, als ουσία.
Indessen glaubt man, die Bedeutung «Existenz» noch an einer zweiten
Stelle dieses selben Passus zu finden, dort wo Aristoteles unter den akziden-
talen Aussagen auch die Negationen aufführt (1017a 18): ούτω δε λεγεται
και το μη λευκόν είναι. Man übersetzt: «So sagt man auch, das Nicht-weiße
sei» (Rolfes, Bassenge, Ross I 306). Aber «sagt man» das? Es kann sich ja
auch hier wieder nicht um eine spekulative These, sophistischer oder platoni-
scher Art, vom Sein des Nichtseienden handeln, sondern nur um eine allgemeine
Weise des Redens. Daß das Nicht-weiße existiert, sagt aber niemand. Auch
paßt es auf keine Weise in die Reihe der akzidentalen Aussagen. Die Über-
setzung dürfte falsch sein; Aufklärung gibt Analytik I 46, 51b 7: es wird
unterschieden die Formulierung der Negation: το μη είναι λευκόν («nicht
weiß sein»), von der der Affirmation einer Privation: το είναι μη λευκόν
(«nicht-weiß sein»). Auf die Unterscheidung kommt jetzt nichts an, wohl aber
darauf, daß es in dem ganzen Kapitel, und so auch bei den fraglichen Aus-
drücken, nur um Prädikationen geht, nicht um Existenzaussagen. Man
vergleiche Met. 1089 a 16: πολλαχως γαρ και το μη όν, έπειδη και το ow
και το μεν μη άνθρωπον (είναι) σημαίνει το μη είναι τοδι.
Noch ähnlicher der Anfang des Λ (1069 a 23): die Kategorien seien nicht
im einfachen Sinne (απλώς) seiend, sondern eben Qualitäten, oder Be-
wegungen, oder auch «das Nicht-weiße oder das Nicht-gerade»: «denn auch
von diesem sagen wir ja, daß es ist, z. B. (es) ist nicht-weiß». Wir werden
also in Δ 7 übersetzen: «so spricht man auch von Nicht-weiß sein», oder:
«... sagt man auch, daß (etwas) nicht-weiß ist».
Es ist bemerkenswert, daß Aristoteles an all diesen Stellen, auch in Δ 7,
zur Erklärung der akzidentalen Seins-Aussagen nicht, wie es uns so nahe läge,
einfach auf den Kopula-Charakter des ist verweist, und auf die Funktion
von Subjekt und Prädikativum. Er sieht sich bei all solchen Aussagen vor
eigentliche Seins-Aussagen gestellt, als ob in ihnen das Sein eines Nicht-
seienden gesagt wäre. So war es ja tatsächlich geschehen in jenen nach-
eleatischen Spekulationen über das Nicht-seiende, auf die er in Z 4 (1030 a 25)
anspielt — es ist die schon zitierte Stelle über den Wesenscharakter (το τι έστι)
der Kategorien, den er am Beispiel des Nicht-seienden erläutert: auch sie
seien im gewissen Sinn ein τι έστιν, άλλ’ ούχ απλώς, άλλ’ ώσπερ έπι του μη
Der Sinn von Sein in der älteren griechischen Philosophie
Notwendig-sein der Axiome (Beispiel der Satz vom Widerspruch, 71a 14).
Mit dem letzteren tritt man schon unter die Bedeutung des Wahr-seins,
also einen prädikativen Sinn, ein. Im ersteren aber fällt der Begriff der
Existenz mit dem der Essenz zusammen; denn Sätze wie «es gibt Zahlen»
(76 b 18) behaupten weniger ein Vorhanden-sein als ein Wesen (τι έστιν).
So kann Aristoteles Met. E 1 (1025 b 17) sagen: «Der Nachweis des τι έστιν
wie des εί έστιν ist Sache eines und desselben Denkakts». Er sagt: eines
Denkakts, nicht: der Erfahrung. Existenz wäre in erster Linie eine Sache
der Erfahrung. (Vgl. Frege, Dialog mit Pünjer über Existenz.)
In Δ 7 ist das Seiende, von dem die Akzidentien ausgesagt werden, seiend
nicht als existentes, sondern als ein Etwas, als ουσία.
Indessen glaubt man, die Bedeutung «Existenz» noch an einer zweiten
Stelle dieses selben Passus zu finden, dort wo Aristoteles unter den akziden-
talen Aussagen auch die Negationen aufführt (1017a 18): ούτω δε λεγεται
και το μη λευκόν είναι. Man übersetzt: «So sagt man auch, das Nicht-weiße
sei» (Rolfes, Bassenge, Ross I 306). Aber «sagt man» das? Es kann sich ja
auch hier wieder nicht um eine spekulative These, sophistischer oder platoni-
scher Art, vom Sein des Nichtseienden handeln, sondern nur um eine allgemeine
Weise des Redens. Daß das Nicht-weiße existiert, sagt aber niemand. Auch
paßt es auf keine Weise in die Reihe der akzidentalen Aussagen. Die Über-
setzung dürfte falsch sein; Aufklärung gibt Analytik I 46, 51b 7: es wird
unterschieden die Formulierung der Negation: το μη είναι λευκόν («nicht
weiß sein»), von der der Affirmation einer Privation: το είναι μη λευκόν
(«nicht-weiß sein»). Auf die Unterscheidung kommt jetzt nichts an, wohl aber
darauf, daß es in dem ganzen Kapitel, und so auch bei den fraglichen Aus-
drücken, nur um Prädikationen geht, nicht um Existenzaussagen. Man
vergleiche Met. 1089 a 16: πολλαχως γαρ και το μη όν, έπειδη και το ow
και το μεν μη άνθρωπον (είναι) σημαίνει το μη είναι τοδι.
Noch ähnlicher der Anfang des Λ (1069 a 23): die Kategorien seien nicht
im einfachen Sinne (απλώς) seiend, sondern eben Qualitäten, oder Be-
wegungen, oder auch «das Nicht-weiße oder das Nicht-gerade»: «denn auch
von diesem sagen wir ja, daß es ist, z. B. (es) ist nicht-weiß». Wir werden
also in Δ 7 übersetzen: «so spricht man auch von Nicht-weiß sein», oder:
«... sagt man auch, daß (etwas) nicht-weiß ist».
Es ist bemerkenswert, daß Aristoteles an all diesen Stellen, auch in Δ 7,
zur Erklärung der akzidentalen Seins-Aussagen nicht, wie es uns so nahe läge,
einfach auf den Kopula-Charakter des ist verweist, und auf die Funktion
von Subjekt und Prädikativum. Er sieht sich bei all solchen Aussagen vor
eigentliche Seins-Aussagen gestellt, als ob in ihnen das Sein eines Nicht-
seienden gesagt wäre. So war es ja tatsächlich geschehen in jenen nach-
eleatischen Spekulationen über das Nicht-seiende, auf die er in Z 4 (1030 a 25)
anspielt — es ist die schon zitierte Stelle über den Wesenscharakter (το τι έστι)
der Kategorien, den er am Beispiel des Nicht-seienden erläutert: auch sie
seien im gewissen Sinn ein τι έστιν, άλλ’ ούχ απλώς, άλλ’ ώσπερ έπι του μη