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Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1978, 1. Abhandlung): Visio absoluta: Reflexion als Grundzug des göttlichen Prinzips bei Nicolaus Cusanus ; vorgetragen am 5. 11. 1977 — Heidelberg: Winter, 1978

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https://doi.org/10.11588/diglit.45467#0020
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Werner Beierwaltes

des Wesen: ... et - ut est complicatio - omnia in ipso esse ipse, et -
ut est explicatio - ipsum in omnibus esse id quod sunt18. Wenn er gar
als „Alles in Allem“ seiend gedacht wird (1 Cor. 15,28), weil sein We-
sen alles Seiende durchdringt, so ist dieser Gedanke nicht von dem
Grund-Satz trennbar, daß er zugleich außer oder über dem Geschaffe-
nen als Nichts von Allem19, weil in keinem Seienden ganz als er selbst
aufgehend, das Absolute ist.
Die Frage, wodurch oder wie das Prinzip alles Seiende vorgängig
umfaßt, führt auf die Erläuterung des absoluten Sehens zurück und
macht die Konsequenzen für die cusanische Konzeption von Prinzip
deutlich. Die umfassende, einigende aber ebensosehr scheidende20 Kraft
im Prinzip ist das Denken, Begreifen, Einsehen, Wissen, das sich im
Wort ausspricht. Dieses Sich-Aussprechen schafft jedoch keine Diffe-
renz im Absoluten, sondern es ist das absolute Denken oder Begrei-
fen selbst. Deshalb kann das Prinzip philosophisch zureichend begriffen
werden als der „absolute Begriff“ (conceptus absolutus)21, als ratio
absoluta oder denkender Grund der die Welt zeitlos vorentwerfenden
Ideen22, oder als Wissen (scientia), das sich aus sich selbst weiß, und
als intellectus, der sich selbst reflektiert. In diesem Grundgedanken
sieht sich Cusanus sachlich und geschichtlich rückgebunden an „Pla-
tons“, d.h. an den neuplatonischen Begriff des conditor intellectus und
an die Metaphysik des Aristoteles, der „durch Vernunft vieles zeigt,
was mit der Wahrheit übereinstimmt“: principium esse penitus in actu,
qui se ipsum intelligit, ex quo delectatio summa23. Diese und andere
genuin philosophischen Denkstrukturen identifizieren Begreifen oder
is d.i. II 3; 71, Uff.
19 z.B. vis. 12; 104 v 38: omnia et nihil omnium simul. 13; 105 v 37: nullum om-
nium. non aliud 6; 14,17: omnium nihil. Plot. VI 7,32,12f: das Eine ist oööev tcöv
övtcov Kai rcctvTa. VI 8,9,43. Procl. in Parm. 1108,24 (Cousin): oo§ev r®v ndv-
tcov. In Parm. VII (Plato Latinus III, ed. R. Klibansky) 68,10; dazu die Margi-
nalie des Cusanus S. 105: unum nullum ens omnium, causa est omnium.
20 vis. 8; 102 v 20: unicus intuitus, der unterscheidet und verbindet zugleich.
21 10; 104 r 16. possest 38,11. 40,18. non aliud 20; 49,20f. de aequ. P II a 19 r 12:
conceptus sui ipsius.
22 vis. 3; 99 v 42. 20; 110 r 25.
23 12; 104 v 41ff. 18; 109 r 19f. de beryllo 24 (Baur = c. 25 Bormann); 30,16ff
(zur Anknüpfung an Aristoteles), non aliud, prop. XIX; 64,30ff: deus als intel-
lectus intelligens (qui non est) aliud ab intellecto. in 23; 54,17 mag 'visionum
visio’ auch der aristotelischen vof|oeco<; vötioe; entsprechen, die „sich und zu-
gleich Alles betrachtet“ (intuetur) und dadurch „abgrenzt“ (definire, 54,26f).
intellectus sui: possest 38,11. princ. 21,5ff.
 
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