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Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1978, 1. Abhandlung): Visio absoluta: Reflexion als Grundzug des göttlichen Prinzips bei Nicolaus Cusanus ; vorgetragen am 5. 11. 1977 — Heidelberg: Winter, 1978

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https://doi.org/10.11588/diglit.45467#0028
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Werner Beierwaltes

faltet“ sich Alles, was im Sohne „begriffen“ ist. Zugleich wird das Ent-
faltete in seinen Anfang zurückgenommen: „Aus Dir, dem liebenden
Gott und aus Deinem liebenswerten von Dir gezeugten Begriffe geht
Deine Tätigkeit und Dein Begriff hervor“ - der Heilige Geist -, „der
Dich und Deinen Begriff vereint“53. Von der in sich relationalen Iden-
tität der triunitas her gedacht ist der sich explizierende Begriff auch
insofern Vermittlung, als er mit dem Rückgang in den anfangenden
Grund von Vermittlung ein und das Selbe ist.
Durch den Gedanken des liebenden und denkend-begreifenden Rück-
gangs in sich selbst - in die identitas absoluta et essentialis54 - wird
auch der Begriff der 'infinitas absoluta’55 erhellt. Infinitas schließt
analog zur Differenz den Begriff der Grenze oder des Endes aus dem
Prinzip aus. Wenn finis von ihm aussagbar sein soll, dann nur in der
paradoxen Negation: finis sine fine oder finis infinitus56. Finis: Ziel,
selbst unbegrenztes Ende ist das Prinzip für das Seiende außer ihm,
dessen Bewegung durch es auf es selbst hin gerichtet ist. Insofern das
Prinzip selbst jedoch nicht durch ein von ihm unterschiedenes Ziel be-
stimmt werden kann, sondern sich selbst oder in sich Ziel ist (sui ipsius
finis)57, kann die Relationalität in ihm auch als „Intentionalität“ be-
griffen werden. Der liebende oder denkende Hervorgang aus dem „An-
fang“ nämlich ist auf sich selbst als sein ihm immanentes Ziel gerichtet;
durch die reflexive Selbstvermittlung kommt die processio so in das
Ziel ihrer selbst. Nur durch das kreishafte Erreichen dieses Zieles, das
zugleich der „Anfang“ ist, erweist es sich als absoluta in-finitas: Finis
igitur, qui est sui ipsius finis, est infinitus58.
Den Überlegungen zur trinitarischen Einheit liegen zahlreiche Iden-
tifikationen oder Coincidenzen zugrunde: absolutes Sehen z.B. ist -
anders als im Bereich des Endlichen, in dem die einzelnen Akte von-
einander geschieden sind - identisch mit lieben, bewegen, verursachen,
schaffen, sprechen, begreifen, denken, wissen, sein; schaffen, begreifen,
sehen sind als Akte gleichzusetzen mit ihrem Vollzogenwerden, ihr
'obiectum’ ist zugleich der Ursprung des Akt-,,Resultats“; Grundzüge

53 Ebd. 9-11: . . . procedit ex te deo aniante et conceptu tuo amabili a te genito
actus tuus et tuus conceptus, qui est nexus nectens et deus uniens te et concep-
tum tuum.
54 20; 110 r4f.
55 13; 105 v 7.
56 13; 105 v13.
5? Ebd. 11.
58 Ebd.
 
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