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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1978, 2. Abhandlung): Bocksbeutel und Aryballos: philologischer Beitrag zur Urgeschichte einer Gefäßform ; vorgetr. am 9. Juli 1977 — Heidelberg: Winter, 1978

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https://doi.org/10.11588/diglit.45468#0024
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Hildebrecht Hommel

fluß angenommen werden muß (im Griechischen hätte sich nämlich
das cp erhalten)55.
Das hinzutretende nt-Suffix weist nach Kretschmers Unter-
suchungen56 wiederum aufs Nordbalkanische, wo es im Illyrischen als
Ortsnamensuffix -ntum (z. B. Salluntum, Argyruntum) geradezu
charakteristisch ist; doch ist man jetzt geneigt, diese Wurzelerweiterung
einer noch älteren, gemeineuropäischen Schicht zuzuweisen57. Das
Suffix scheint ganz allgemein eine Zugehörigkeit zu bezeichnen; in
unserem Fall wäre dann ßaÄXavxiov etwa sowiel wie <dem Bereich des
cpaXXog zugehörig». Wenn wir statt dem Phallos hier eher den
Hoden(sack) erwarten würden, so ist darauf hinzuweisen, daß die
zugrundeliegende idg. Urform *bhl-no-s den männlichen Geschlechts-
teil als Ganzes bezeichnet haben dürfte, da nämlich andere nah ver-
wandte Wörter wie lat. follis ihrerseits nicht den Phallos, sondern
den Hodensack meinen, wozu es eine ganze Reihe von Entsprechungen
in idg. Einzelsprachen gibt58.
Steht nach all dem die Zugehörigkeit des Elements -ßaXXog zu
ßaXZdvTiov fest, was an sich die Bedeutung <Lederbeutel> nahelegt, so
läßt die Etymologie vermuten, daß es sich ursprünglich um einen als
Behälter verwendeten tierischen Hodensack gehandelt haben dürfte.
Schwieriger scheint die Herleitung des ersten Bestandteils agv- (nach
frühgriechischer Aussprache aru). Die schon erwähnte antike Ety-
mologie, die mit apustv <ausschöpfen> operiert, und die noch heute da
und dort vertreten wird59, sollte als abgetan gelten, da es sich weder

55 Auch der hellenistische Dichter Herondas 6,69 gebraucht für cpaXXoq das Wort
ßcz/./.iov (und zwar speziell für den Lederphallos, dessen sich die Frauen ge-
legentlich bedienten); dieser Form schreibt man ebenfalls thrakisch-phrygischen
Ursprung zu {Haas a. O. 165 f.; 5992).
56 P. Kretschmer, Das nt-Suffix. In: Glotta 14. 1925, S. 84ff., hier bes. S. 87.
57 Darüber handelt jetzt A. Fovar, Krahes alteuropäische Hydronomie . . . (Heidel-
berger Sitzungsber., Ph.-hist. Kl. 1977, 2) S. 10.
58 Walde-Hojmann, Lateinisches etymologisches Wörterbuch3 1. 1938, S. 524 f.
59 Ernst Fraenkel, Glotta 4, S. 35, dem sich J. B. Hofmann, Etymolog. Wtrbch. des
Griechischen 1949, s. v. (S. 25) zögernd anschließt. Danach wäre der zweite Be-
standteil mit ßaXÄeiv in Verbindung zu bringen, was im Anschluß an Hesych’s
Glosse ägvßaHor ra papoujiiria — ano rov agueiv xa'i ßaXXeiv elq avroüg als
<Gießkanne> interpretiert wird, wogegen sowohl Frisk wie Chantraine mit Recht
Bedenken äußern. Denn ein Behälter, in den man (anderswoher geschöpfte)
Flüssigkeit gießt (ßaXXei?), ist noch lange keine Gießkanne, sondern eher ein
fragwürdiges Produkt antiker Gelehrsamkeit.
 
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