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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1978, 2. Abhandlung): Bocksbeutel und Aryballos: philologischer Beitrag zur Urgeschichte einer Gefäßform ; vorgetr. am 9. Juli 1977 — Heidelberg: Winter, 1978

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https://doi.org/10.11588/diglit.45468#0034
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32

Hildebrecht Hommel

Gunsten zu beeinflussen sucht. Daß Zeugen mit im Spiel sind, denen
gegenüber der Verbrecher unvorsichtigerweise von seinem Vorhaben
gesprochen hat, wird durch den rein äußerlichen Anklang von
testiculos an testes dem Redner in Erinnerung gebracht93. Die
gelehrten Kommentatoren einer frühen Ausgabe der Rhetorica ad
Herennium, Venedig 15 0 4 94 vermuten auch in dem Wort arietinos
eine <similitudo quaedam> zwischen aries und heres95, so daß
gleich auch noch an das Ziel des Schurken, demnächst als Erbe zu
erscheinen, habe erinnert werden sollen. Wie dem auch sei, trotz solcher
nebenbei suggerierten mechanischen Lautassoziationen mußte doch das
Bild vor allem in sich geschlossen sein, so daß auch den testiculi
arietini, den <Widderhoden> (gemeint: dem <-hodensack>), ein sinn-
voller Platz im Rahmen des Ganzen zukam. Da paßt nun die bisher
einmütig von allen Erklärern gegebene Auskunft, es handle sich um
einen aus einem Widderhodensäckchen hergestellten ledernen Geld-
beutel, denkbar schlecht96. Sollte der sonst i. a. vorsichtig zu Werke
gehende Erbschleicher sein intimes Verhältnis zum Geldsack in so auf-
fälliger Weise zur Schau getragen haben97? So halte ich denn im Blick
auf die uns bereits bekannte Trageweise am Handgelenk (ob. S. 17),
93 Dies wird den Umstand begünstigt haben, daß der <Auctor> ungenauerweise hier
statt scrotum (<Hodensack>) das Wort testiculi (<Hoden>) gebraucht,
während natürlich nur jenes gemeint sein kann. Diese Nachlässigkeit findet sich
freilich auch sonst gelegentlich (s. gleich unten S. 32, Anm. 96), wie ja auch wir
statt <Hodensack> einfach <Hoden> sagen können. — Daß das Wort testis
<Hode> lautlich mit testis <Zeuge> identisch ist, bleibt auffallend, wie es ja auch
ganz nah an testa <Scherbe> — später Gefäß (!), Schale, Hirnschale, Kopf, vgl.
frz. tete — anklingt. Eine merkwürdige Parallele bietet lat. väs <Gefäß> mit
dem Plural väsa in der Bedeutung <Hoden>, (Plautus, Poen. 860 f.; Priap.
68, 24), wobei man wiederum auch an das aus einer anderen Wurzel kommende
väs (Gen. vädis) <der Bürge> denken mag.
94 M. T. Ciceronis Rhetoricorum libri. Recenter castigati. Cum expositoribus
Francisco Maturantio, Antonio Mancinello, Mario Fabio Victorino. Ven. 1504,
in 4°, fol. LXXIXr. Freundlicher Hinweis von H. Blum.
95 In der Tat wurde wohl schon im 1. Jh. v. Chr. das Anfangs-h eines Wortes kaum
mehr gesprochen; s. M. Leumann, Lateinische Laut- und Formenlehre 1963,
S. 138 f.
96 Der neueste Erklärer, G. Calboli in seinem Kommentar Bologna 1969, S. 270 er-
innert an die Glosse Paulus-Festus p. 331 Müller, sc ort es: pelles testium
arietinorum, ab eisdem pellibus dicti. Aber dies besagt höchstens, daß die
testiculi arietini auch einfach scortes (<Lederzeug>) genannt werden
konnten, jedoch besagt es nichts über ihre Struktur und Verwendung.
97 Und wäre es so gewesen, daß der unter den testiculi arietini zu ver-
stehende Geldbeutel auch daran erinnern sollte, daß aus ihm Geld zur Bestechung
 
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