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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1978, 2. Abhandlung): Bocksbeutel und Aryballos: philologischer Beitrag zur Urgeschichte einer Gefäßform ; vorgetr. am 9. Juli 1977 — Heidelberg: Winter, 1978

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https://doi.org/10.11588/diglit.45468#0035
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Bocksbeutel und Aryballos

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hier am Finger, dafür, daß es sich bei den testiculi arietini um
einen wohl in der Tat noch aus einem Schafbockshodensack gefertigten
<Aryballos>, einen <Bocksbeutel>, also, handeln muß98, der das als
Arznei getarnte Gift enthält, aus dem er die nötige Dosis in den Becher
geschüttet hat, den er mit der rechten Hand dem Kranken darbietet.
Unterstützend tritt hinzu, daß die testiculi arietini so, wie
wir sie glauben interpretieren zu müssen, sowohl allgemein semasio-
logisch wie im Rahmen jenes Erinnerungsbildes die lateinische Ent-
sprechung für das liefern, was wir für die Herkunft des griechischen
Wortes <Aryballos> bisher auf andere Weise ermitteln konnten. Die
umständliche Namengebung testiculi arietini weist auf relativ
seltenen Gebrauch, wie er sich für die wohl ebenfalls nicht mehr häufige
Verwendung der ledernen Originalform des Fläschchens etwa in der
Apothekensphäre erhalten haben mag, wo man ohnehin je und je sich
gern einer komplizierten Nomenklatur bediente. Noch aus dem
17. Jahrhundert gibt es einen Kupferstich, der vor dem Hintergrund
der Stadt Würzburg mit entsprechenden Versbeischriften einen kranken
alten Mann zeigt, der u. a. von einem Arzt betreut wird (Abb. 15).
Dieser hält ihm ein Arzneigefäß entgegen, in dem man eine Leder-
flasche, vielleicht sogar testiculi arietini vermuten darf99. Eine
gewisse Parallele hat der lange und zusammengesetzte Ausdruck
testiculi arietini in jener griechischen Bezeichnung ofimtaoTov
ßaXÄavTiov für den weich gegerbten Lederbeutel, von der wir uns
erinnern, daß sie sich Jahrhunderte lang von Platon bis Galen fort-
erhalten hat100.
der Zeugen gezahlt worden sei (so H. Caplan, Rhet. ad Herenn. in der Loeb
Classical Library 1954, S. 215, Anm.), dann hätte doch auch sonst irgendwie
vom Auctor ad. Her. auf diesen Zug angespielt werden müssen.
98 Vielleicht ist unter dem ampullarius bei Plautus, Rudens 756 f. (<Leder-
flaschenmacher> übersetzt A. Thierfelder), der auf corium Optimum et
sincerissimum als Ausgangsmaterial Wert legt, ein Meister zu verstehen,
der auch diese seltene Ware noch herzustellen verstand. Diese Auslegung scheint
mir überzeugender als die landläufige, wonach der ampullarius ausschließlich
Lederüberzüge zur Schonung der Ton- (bzw. später Glas-) Gefäße berufsmäßig
fabriziert habe (so z. B. August Ganßer, Vor- und Frühzeit der Gerberei. -
Ciba-Rundschau. H. 85. 1949, S. 3156 ff., hier S. 3179).
99 Meissner-Kieser’sches «Schatzkästlein» 1625 (Faksimile-Ausgabe im Verlag Harry
v. Hofmann, Hamburg-Hamm). — Vgl. a. schon die von Albrecht Dürer gezeich-
nete Randleiste zum Gebetbuch des Kaisers Maximilian I. (in der Bayr. Staats-
bibliothek in München) mit der Karikatur eines Arztes, der ein Uringlas in
Bocksbeutelform hält (Abb. 16).
100 Oben S. 19 f. mit Anm. 50.
 
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