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Wolgast, Eike; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 9. Abhandlung): Die Religionsfrage als Problem des Widerstandsrechts im 16. Jahrhundert — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45486#0056
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54

Eike Wolgast

8.
Die Aktualität des Widerstandsrechts erlosch gegen Ende des 16. Jahr-
hunderts119, nachdem die Debatten darüber mit der religiösen Befrie-
dung Frankreichs ihren tagespolitischen Bezug verloren hatten120.
Nochmals aufgenommen wurde die Frage, „an tyrannum opprimere fas
est“, vor dem Hintergrund vor allem der französischen Erfahrungen
1599 von Juan de Mariana121. Neue Problemlösungen trug er aber
119 Auf den Aufstand in den Niederlanden kann in diesem Zusammenhang nicht einge-
gangen werden. Durch ihre stark ausgeprägte und intakte ständische Organisation
nehmen die Niederlande in der Staatengesellschaft des 16. Jahrhunderts einen beson-
deren Platz ein; ihr Kampf um die Unabhängigkeit von Spanien ist vor allem ein
Kampf um die Aufrechterhaltung dieser ständischen Organisation. Die entscheiden-
den Dokumente, die Apologie Wilhelms von Oranien von 1580 (vgl. DuMont Bd. V/
1, 384ff.) und die Absageerklärung von 1581, heben wie die Monarchomachen vor al-
lem auf den Vertrag und den Bruch der obligatio mutua als Absagegrund an den zum
Tyrannen gewordenen Fürsten ab; die causa religionis tritt demgegenüber in den Hin-
tergrund, zumal sich Oranien bis zum Schluß um eine konfessionsübergreifende Poli-
tik bemüht hat. Auf die „Joyeuse Entree“ beruft sich das „Plakkaat van verlatinghe“
nicht, da diese eine prinzipielle Gehorsamsaufsage nicht vorsah. Auf diesen Umstand
macht eine zeitgenössische Flugschrift ausdrücklich aufmerksam; vgl. E. H. Kossman
— A. F. Mellink (Hg.), Texts concerning the Revolt of the Netherlands (Cambridge
1974), 288ff. Die Absage an Spanien wird im „Plakkaat“ begründet mit der Erschöp-
fung aller Versöhnungsmittel; daher „volgende de Wet der Natueren, tot bescherme-
nisse ende bewaernisse von onsen ende den anderen Landtsaten Rechten, Privilegien
ende Herkomen ende Vryheden vans ons Vaderlandt, van het leven ende eere van on-
se Huysvrouwen, Kinderen ende Nakomelinghen, op datse niet en souden vallen inde
slaveruye der Spaengiarden, verlatende met recht den Coningh van Spaengien“; Du-
Mont V/l, 419.
120 Vgl. R. v. Albertini, Das politische Denken in Frankreich zur Zeit Richelieus (Mar-
burg 1951), 84ff. Zur politischen Gedankenwelt Frankreichs am Ende des 16. Jahr-
hunderts vgl. E. Hinrichs, Fürstenlehre und politisches Handeln im Frankreich Hein-
richs IV. (Göttingen 1969), 39ff.
121 De rege et regis institutione libri III (Toledo 1599; im Folgenden nach einer Ausgabe
Mainz 1605 zitiert). Die Frage der Tyrannentötung wird I 6 erörtert. - Zu Mariana
vgl. vor allem E. L. Llorens, Über Juan de Marianas Staatsauffassung. In: Spanische
Forschungen der Görresgesellschaft 1/8 (1940), 38 Iff.; B. Fava. Le teorie dei monar-
chomachi et il pensiero politico di Juan de Mariana (Reggio Emilia 1953); G. Lewy,
Constitutionalism and Statecraft during the Golden Age of Spain. A Study of the Poli-
tical Philosophy of Juan de Mariana, S. J. (Genf 1960), 37ff.; weitere Literatur vgl.
Althusius-Bibliographie (s. Anm. 1), Nr. 3118ff. Auf die interessante und wichtige
Gesellschafts- und Staatstheorie Marianas kann im Folgenden nicht eingegangen wer-
den, ebensowenig auf sein antiquarisches Interesse, die historische Tradition des spa-
nischen Mittelalters gegenüber der zentralistisch-absolutistischen Politik Karls V. und
Philipps II. hervorzuheben.
 
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