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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 2. Abhandlung): Der Prolog der "Bacchen" und die antike Überlieferungsphase des Euripides-Textes: vorgetragen am 18. November 1980 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47795#0037
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Der Prolog der ‘Bacchen’

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bes, Einzelpartien aus Tragödien des 5. und 4. Jh. v. C. aufzuführen,
läßt sich auch aus dem papyrologischen Befund erschließen. Mit großer
Wahrscheinlichkeit sind nämlich nicht wenige Papyri, auf denen drama-
tische, insbesondere tragische Texte stehen, als Libretti für das Theater
anzusehen, während natürlich die große Masse literarischer, auch dra-
matischer Texte auf den erhaltenen Papyri aus Editionen für die Lektü-
re in Schule und Haus stammen.
Als Theatertexte sind zunächst wohl diejenigen Tragikerpapyri anzu-
sprechen, die mit Musiknoten versehen sind. Sie und die Themison-In-
schrift erklären sich gegenseitig, worauf schon die Herausgeber wieder-
holt hingewiesen haben. Da ist etwa ein Osloer Papyrus (inv. 1413) aus
dem 2. Jh. n. C., der in der Forschung eine große Rolle gespielt hat26.
Er enthält iambische Trimeter und anapästische Dimeter vermutlich
tragischer Herkunft zusammen mit Musiknoten. Ein Leidener Papyrus
(inv. 510) aus dem 3. Jh. v. C. enthält insgesamt 16 Zeilen der „Auli-
schen Iphigenie“ des Euripides in einer vom Gang des Dramas unab-
hängigen Reihenfolge (1500/09 und 784/92) mit dazwischengesetzter
Notation27. Wie man sieht, sind hier Gesangspartien des Stückes excer-
piert, und das doch wohl für den praktischen Gebrauch. Aus dem 1.-2.
Jh. n. C. stammt ein unveröffentlichter Oxyrrhynchus-Papyrus (inv.
31.4. B 13/14), über den W. E. H. Cockle berichtet hat28. Es handelt
sich um Lieder aus bekannten Dramen, die zum Repertoire des /opcru-
X.ög Epagathos, des TQaycpöög Kanopos, des xopctiAöc; Pamphylos und
eines weiteren TQCtYtoöög gehörten, dessen Name nicht mehr zu lesen
ist. Ein kürzlich veröffentlichter Oxyrrhynchus-Papyrus des 3. Jh. n. C.
(Nr. 3214) enthält tragische Anapäste mit Notation29, und der Oxyr-
rhynchus-Papyrus 2436 aus dem 2. Jh. n. C. enthält Stücke dramatischer
Lyrik30 mit - höchstwahrscheinlich neu komponierter - Musik.
Aber nicht nur die Notenpapyri mit tragischen Texten, die sich über
die ganze hellenistisch-römische Zeit verteilen, stammen aus Büchern
für die Theater- oder Konzertpraxis. Mit Recht haben die Herausgeber
auch für den Oxyrrhynchus-Papyrus 2458 aus dem 3. Jh. n. C. solches

26 S. Eitrem / L. Amundsen / R. P. Winnington-Ingram, Symb. Osl. 31, 1955, 1-87; da-
zu E. Pöhlmann, Denkmäler antiker Musik, Nürnberg 1970, 114ff.
27 D. Jourdan-Hemmerdinger, Compt. rend. Acad. Inscr. 1973, 292ff. und B. Gentili,
Problemi di metrica classica, Genova 1978, 13.
28 Proc. XIV. Int. Congr. Pap., London 1975, 59ff.
29 W. Luppe, Gnom. 49, 1977, 737ff.
30 Der Herausgeber E. G. Turner äußert die ansprechende Vermutung, daß es sich um
ein Satyrspiel klassischer Zeit handelt (p. 114f.).
 
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