Der Prolog der ‘Bacchen’
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ne Arie oder eine wirkungsvolle Einzelszene - beschränken konnten,
weil eben nur diese auf die Bühne gebracht werden sollte.
Wird die Aufführung eines ganzen Dramas vorbereitet, so dürfen die
für diese Gelegenheit am Text angebrachten Retouchen nicht gröblich
gegen Einheit, Aufbau und Folgerichtigkeit des Stückes verstoßen.
Sieht der Regisseur, der diese vorbereitende Arbeit tut, Anlaß zu einer
substantiellen Streichung oder hält er einen ebenso gravierenden Zu-
satz zur Steigerung der Bühnenwirksamkeit für angebracht, wird sich
daraus wohl zumeist die Notwendigkeit zu weiteren Änderungen im
Verlauf des Dramas ergeben. Einheit und Folgerichtigkeit der Hand-
lung, die durch einen stärkeren Eingriff in den überlieferten Text an ei-
ner Stelle mit großer Wahrscheinlichkeit gestört werden, müssen dann
durch kleinere, anpassende Änderungen an anderen Stellen wiederher-
gestellt werden.
Für den Erklärer eines antiken Dramentextes, der im Verdacht steht,
durch Interpolationen für eine (oder auch mehrere) Wiederaufführung
entstellt worden zu sein, steht darum die Frage nach der Einheit und
Folgerichtigkeit der Handlung im Vordergrund, und zwar sowohl der
Einheit der originalen Fassung als auch der - mindestens intendierten -
Einheit des vorliegenden, überarbeiteten Textes. Auch der Bearbeiter,
der ein Stück für eine Gesamtaufführung durch Änderungen dem ver-
änderten Publikumsgeschmack anzupassen sucht, steht ein einheitliches
Ganzes vor Augen, das auf die Bühne kommen soll. Für den Interpre-
ten aber ergibt sich die Aufgabe, diese nicht notwendigerweise kongru-
ierenden Vorstellungen von Einheit und Aufbau des Dramas zu erken-
nen und auf diese Weise von den Unstimmigkeiten des überlieferten
Textes zu dem originalen Entwurf des Dichters vorzustoßen.
Interpolationen, die unter den spezifischen Bedingungen des helleni-
stisch-römischen Theaterbetriebes in den Text der Klassiker des grie-
chischen Dramas geraten sind, folgen einer anderen Gesetzmäßigkeit.
Die Veränderungen gegenüber dem Original erfolgten nur, um einer
einzelnen Partie größere Bühnenwirksamkeit vor dem Publikum jener
Epoche zu geben. Inkongruenzen mit den übrigen Teilen der Handlung,
die sich daraus möglicherweise ergaben, störten in gar keiner Weise,
denn es kam ja nicht der volle Zusammenhang des Stückes auf die Büh-
ne. Lediglich dem rein äußeren, faktischen Ablauf des Geschehens, wie
ihn die betreffende Tragödie aus dem Mythos gestaltet hatte, durfte die
Bearbeitung nicht gerade widersprechen, denn dieser Ablauf wurde bei
solchen Einzelaufführungen als bekannt vorausgesetzt - sogar am Par-
therhof, wie die Geschichte vom Ende des Crassus zeigt. Wie populär
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ne Arie oder eine wirkungsvolle Einzelszene - beschränken konnten,
weil eben nur diese auf die Bühne gebracht werden sollte.
Wird die Aufführung eines ganzen Dramas vorbereitet, so dürfen die
für diese Gelegenheit am Text angebrachten Retouchen nicht gröblich
gegen Einheit, Aufbau und Folgerichtigkeit des Stückes verstoßen.
Sieht der Regisseur, der diese vorbereitende Arbeit tut, Anlaß zu einer
substantiellen Streichung oder hält er einen ebenso gravierenden Zu-
satz zur Steigerung der Bühnenwirksamkeit für angebracht, wird sich
daraus wohl zumeist die Notwendigkeit zu weiteren Änderungen im
Verlauf des Dramas ergeben. Einheit und Folgerichtigkeit der Hand-
lung, die durch einen stärkeren Eingriff in den überlieferten Text an ei-
ner Stelle mit großer Wahrscheinlichkeit gestört werden, müssen dann
durch kleinere, anpassende Änderungen an anderen Stellen wiederher-
gestellt werden.
Für den Erklärer eines antiken Dramentextes, der im Verdacht steht,
durch Interpolationen für eine (oder auch mehrere) Wiederaufführung
entstellt worden zu sein, steht darum die Frage nach der Einheit und
Folgerichtigkeit der Handlung im Vordergrund, und zwar sowohl der
Einheit der originalen Fassung als auch der - mindestens intendierten -
Einheit des vorliegenden, überarbeiteten Textes. Auch der Bearbeiter,
der ein Stück für eine Gesamtaufführung durch Änderungen dem ver-
änderten Publikumsgeschmack anzupassen sucht, steht ein einheitliches
Ganzes vor Augen, das auf die Bühne kommen soll. Für den Interpre-
ten aber ergibt sich die Aufgabe, diese nicht notwendigerweise kongru-
ierenden Vorstellungen von Einheit und Aufbau des Dramas zu erken-
nen und auf diese Weise von den Unstimmigkeiten des überlieferten
Textes zu dem originalen Entwurf des Dichters vorzustoßen.
Interpolationen, die unter den spezifischen Bedingungen des helleni-
stisch-römischen Theaterbetriebes in den Text der Klassiker des grie-
chischen Dramas geraten sind, folgen einer anderen Gesetzmäßigkeit.
Die Veränderungen gegenüber dem Original erfolgten nur, um einer
einzelnen Partie größere Bühnenwirksamkeit vor dem Publikum jener
Epoche zu geben. Inkongruenzen mit den übrigen Teilen der Handlung,
die sich daraus möglicherweise ergaben, störten in gar keiner Weise,
denn es kam ja nicht der volle Zusammenhang des Stückes auf die Büh-
ne. Lediglich dem rein äußeren, faktischen Ablauf des Geschehens, wie
ihn die betreffende Tragödie aus dem Mythos gestaltet hatte, durfte die
Bearbeitung nicht gerade widersprechen, denn dieser Ablauf wurde bei
solchen Einzelaufführungen als bekannt vorausgesetzt - sogar am Par-
therhof, wie die Geschichte vom Ende des Crassus zeigt. Wie populär