110
Albrecht Dihle
Erklärung einer Partie, die sich wie keine andere zur Einzelaufführung
durch einen Virtuosen eignete (1366ff.).
Vor dem Auftritt des phrygischen Sklaven, der in seiner berühmt ge-
wordenen Monodie die turbulenten Ereignisse im Innern des Palastes
zu erzählen hat, verweist der Chor in drei Trimetern auf das Geräusch
des Schlüssels am Palasttor, das das Kommen des Phrygers ankündigt
(1366—68). Diese drei Verse erklärt das Scholion zu 1366 für eine
Schauspielerinterpolation. Der Sklave erscheine, wie die Schilderung
über seine Flucht durch das Gebälk des Hauses zeige, auf dem Dach des
Palastes, von wo aus später auch Orestes mit Menelaos verhandeln wird
(1567ff.). Nach seinem Dialog mit Orestes habe er vom Dach herab-
springen müssen, wenn dieser ihn nämlich nach anfänglichen Bedro-
hungen laufen läßt (1532ff.). Dieser Sprung sei Schauspielern zu ge-
fährlich gewesen, für die darum jene Verse, die ein Auftreten des Phry-
gers vor dem Palast zu ebener Erde ankündigten, eingefügt wurden,
und zwar im Widerspruch zur Beschreibung seines Fluchtweges am An-
fang der folgenden Monodie.
A. M. Dale (W. St. 69, 1956, 103) hat demgegenüber zu zeigen ver-
sucht, daß die Schilderung des Fluchtweges nicht notwendigerweise ein
Auftreten auf dem Dach erfordere, sondern rein beschreibenden Cha-
rakter habe, und daß somit die Verse 1366ff. gegen die Meinung des
Scholiasten als echt anzusehen seien.
Übernimmt man diese Auffassung, stellt sich das Bühnengeschehen
etwa folgendermaßen dar: Der Phryger tritt 1369 aus dem Palast und
singt seine Monodie auf der Bühne. 1504 kommt Orestes hinzu, redet
mit dem Phryger und entläßt ihn. Dann kehrt er in den Palast zurück,
denn mit dem 1554 am Palasttor erscheinenden Menelaos redet er vom
Dach aus und droht, ein Gebälkstück auf ihn zu schleudern (1569f.).
Ohne die Verse 1366ff. würde man annehmen, daß der Sklave auf
dem Dach erscheint, Orestes 1504 dort oben zu ihm tritt und ihn 1532
von dort entkommen läßt, so daß er in der Tat herunterspringen müßte.
Orestes könnte dann die ganze Zeit von 1504 bis zum Ende des Stückes
auf dem Dach bleiben.
Möglich ist ferner, und so stellt sich wohl Peter Arnott (Greek Scenic
Conventions, Oxford 1962, 119) nach dem Vorgang von Denis Page
den Auftritt vor, daß der Sklave oben auf dem Dach erscheint und so-
gleich herunterspringt, seine Arie also vor dem Palast singt.
Die Entscheidung zwischen diesen Möglichkeiten, die gleichzeitig ein
Urteil über die Echtheit der Verse 1366ff. zu bedeuten scheint (vgl. A.
Lesky, Die tragische Dichtung der Hellenen, Göttingen 31972, 466),
Albrecht Dihle
Erklärung einer Partie, die sich wie keine andere zur Einzelaufführung
durch einen Virtuosen eignete (1366ff.).
Vor dem Auftritt des phrygischen Sklaven, der in seiner berühmt ge-
wordenen Monodie die turbulenten Ereignisse im Innern des Palastes
zu erzählen hat, verweist der Chor in drei Trimetern auf das Geräusch
des Schlüssels am Palasttor, das das Kommen des Phrygers ankündigt
(1366—68). Diese drei Verse erklärt das Scholion zu 1366 für eine
Schauspielerinterpolation. Der Sklave erscheine, wie die Schilderung
über seine Flucht durch das Gebälk des Hauses zeige, auf dem Dach des
Palastes, von wo aus später auch Orestes mit Menelaos verhandeln wird
(1567ff.). Nach seinem Dialog mit Orestes habe er vom Dach herab-
springen müssen, wenn dieser ihn nämlich nach anfänglichen Bedro-
hungen laufen läßt (1532ff.). Dieser Sprung sei Schauspielern zu ge-
fährlich gewesen, für die darum jene Verse, die ein Auftreten des Phry-
gers vor dem Palast zu ebener Erde ankündigten, eingefügt wurden,
und zwar im Widerspruch zur Beschreibung seines Fluchtweges am An-
fang der folgenden Monodie.
A. M. Dale (W. St. 69, 1956, 103) hat demgegenüber zu zeigen ver-
sucht, daß die Schilderung des Fluchtweges nicht notwendigerweise ein
Auftreten auf dem Dach erfordere, sondern rein beschreibenden Cha-
rakter habe, und daß somit die Verse 1366ff. gegen die Meinung des
Scholiasten als echt anzusehen seien.
Übernimmt man diese Auffassung, stellt sich das Bühnengeschehen
etwa folgendermaßen dar: Der Phryger tritt 1369 aus dem Palast und
singt seine Monodie auf der Bühne. 1504 kommt Orestes hinzu, redet
mit dem Phryger und entläßt ihn. Dann kehrt er in den Palast zurück,
denn mit dem 1554 am Palasttor erscheinenden Menelaos redet er vom
Dach aus und droht, ein Gebälkstück auf ihn zu schleudern (1569f.).
Ohne die Verse 1366ff. würde man annehmen, daß der Sklave auf
dem Dach erscheint, Orestes 1504 dort oben zu ihm tritt und ihn 1532
von dort entkommen läßt, so daß er in der Tat herunterspringen müßte.
Orestes könnte dann die ganze Zeit von 1504 bis zum Ende des Stückes
auf dem Dach bleiben.
Möglich ist ferner, und so stellt sich wohl Peter Arnott (Greek Scenic
Conventions, Oxford 1962, 119) nach dem Vorgang von Denis Page
den Auftritt vor, daß der Sklave oben auf dem Dach erscheint und so-
gleich herunterspringt, seine Arie also vor dem Palast singt.
Die Entscheidung zwischen diesen Möglichkeiten, die gleichzeitig ein
Urteil über die Echtheit der Verse 1366ff. zu bedeuten scheint (vgl. A.
Lesky, Die tragische Dichtung der Hellenen, Göttingen 31972, 466),