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Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 6. Abhandlung): Regio Beatitudinis: zu Augustins Begriff des glücklichen Lebens; vorgelegt am 24. Januar 1981 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47799#0039
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Regio Beatitudinis

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senhaft zusammengehören: „cum enim te, deum meum, quaero, vitarn
beatam quaero“132. Was das Glück anlangt, so umspielt Augustinus den
platonischen Gedanken der 'anamnesis' (recordatio), der ein „Verges-
sen“ des einmal schon gekannten oder gehabten Glücks einschließen
würde, ohne sich präzise für diese Theorie als Erklärungsgrund des Su-
chens zu entscheiden. Alle, die glücklich sein wollen, diese in Hoffnung
Glücklichen, wissen doch, was sie lieben. Der Anfang des Suchens frei-
lich ist undeutlich; die Frage, ob das glückliche Leben „im Gedächtnis“
sei, findet nur eine - dem Anfang freilich angemessene - allgemeine
Antwort: wir kennen es „irgendwie“, wir haben von ihm einen „be-
stimmten Begriff“ (certa notitia), den es zu realisieren gilt; er ist der
Grund des Suchens133. Analog hierzu begründet und bewegt die Prä-
senz von Wahrheit und Weisheit in der denkenden Innerlichkeit des
Menschen die Suche Gottes134: transcensus der Innerlichkeit in ihr auf
das Über-Sein hin, wie die Texte aus 'De vera religione' und den 'Con-
fessiones' gezeigt haben. Im zweiten Buch von 'De libero arbitrio' ist aus
der apriorischen Verfaßtheit des Geistes sogar ein Erweis des Daseins
Gottes intendiert, der auch expressis verbis mit dem glücklichen Leben
verbunden ist. Dies soll kurz verdeutlicht werden.
In der Selbstreflexion oder Selbstergründung des Geistes (mens) oder
der Vernunft (ratio) zeigt sich dem Denken etwas, was „höher“, d. h. im
Modus des Grundes intensiver seiend ist als es selbst135. Ausgangspunkt
(erster Ansatz) dieser Erfahrung ist ein „Unveränderliches“ in uns, das
weder durch Denken noch Empfindung auflösbar und verrückbar er-
scheint. Als Paradigma hierfür fungiert - gut platonisch - die Seins-
struktur der Zahl (ratio et veritas numeri136). In der Erfahrung dieses
unveränderlichen Seins in uns zeigt sich unmittelbar auch der nicht
mehr mit uns selbst identische Ursprung dieses Seins und dieser Erfah-
132 Conf. X 20, 29.
133 Ebd. und 21, 30f. Lib. arb. II 9,26: mentibus nostris impressa est notio beatitatis. 15,
40.
134 Conf. X 25,36: Sed ubi manes in memoria mea, domine, ubi illic manes? quäle cubile
fabricasti tibi? quäle sanctuarium aedificasti tibi?
135 Lib. arb. II 6,13: aliquid . . . quod sit in natura hominis ratione sublimius. 14: ipsa no-
stra ratione praestantius . . . aliquid supra nostram rationem (= aetemum atque in-
commutabile). 12,34: excellentior . . . quam mens nostra (veritas [ipsa]). 15,39: supra
mentes (Deus = ipsa veritas).. . . Est enim deus, et vere summeque est. - Zur Dialek-
tik von „In“ und „Über“ vgl. Conf. III 6,11: interior intimo meo (Deus) et superior
summo meo.
136 Lib. arb. II 8,20. 21: incorruptibilis numeri veritas. 23: Hoc ergo quod per omnes nu-
meros esse immobile, firmum incorruptumque conspicimus, unde conspicimus?
 
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