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Grimm, Tilemann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 7. Abhandlung): Sinologische Anmerkungen zum europäischen Philosophiebegriff — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47800#0011
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Sinologische Anmerkungen

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noch die nach bestimmten Zahlbegriffen, mit Vorzug sind dies die un-
geraden Zahlen Fünf, Drei und Neun, zusammengefaßten Dinge und
Werte neben einem mnemo-technisch-didaktischen auch ein ästheti-
sches Moment berücksichtigen: eine faßliche Gruppierung von Begrif-
fen bekundet ein Empfinden für Symmetrie (vielleicht ein Denken in
symmetrischen Formen?). Man könnte vielleicht auf einen harmonisch
konzipierten Ordnungsbegriff hinausgehen, der sich in der Vorstellung
von einer allumgreifenden Harmonie zum Schönheitsbegriff fortbildet.
Schon hier wird deutlich, daß man der chinesischen und der in glei-
chen Schwingungen mitgehenden japanischen Reflexion über Welt und
Leben, Sein unQ Zeit nur gerecht wird, wenn man sie in ihrem Selbst-
sein ernst nimmt. Sie durchzieht alles Nachdenken, und bezeichnender-
weise auch dort, wo es um die Ordnung der menschlichen Gesellschaft
und einen imperial ausgelegten Staat geht. Sie sucht, wie alle Reflexion,
Klärung, auch wenn dies nur noch im Nicht-mehr-Aussagbaren möglich
scheint.
Es ließe sich das an drei historisch gut erfaßbaren Vorgängen ver-
deutlichen.
1. In der Blütezeit des philosophischen „Aufbruchs“, als die in China
sogenannten „hundert Schulen“4 miteinander debattierten und gegen-
einander stritten, also in der Zeit zwischen dem 6. und 3. Jh. v. Chr., ge-
nauer vielleicht zwischen dem Todesjahr des Konfuzius 478 und dem
Jahr der Vereinigung des chinesischen Reiches 221 - in dieser Zeit hat
es eben nicht nur Konfuzius und Laozi gegeben, sondern auch eine
Vielzahl von Kosmologen, politischen Denkern, Sprachkritikern,
Agrarökonomen, Kriegswissenschaftlern und Erkenntnistheoretikern.
Ich möchte be'i den letzteren einige Augenblicke verweilen.
Die frühen chinesischen Erkenntnistheoretiker des 3. Jh. v. Chr. ha-
ben die drei psychologischen Schritte des Erkenntnisprozesses durch-
schaut als Wissensfähigkeit, vermittelt etwa durch das Sinnesorgan Au-
ge, als Ausübung dieser Fähigkeit im Sinne der Wahrnehmung, wie
beim Vorgang des Sehens, und als Verstehen des solchermaßen sinnlich
Wahrgenommenen, also: Erkanntes, Wissen - dies alles wiedergegeben
in ungelenken Formulierungen und überliefert in einem bruchstückhaf-
ten Text, dennoch präsent (Modi)5. Nun hatten jene analytischen
Schritte ihren Sinn vor allem im Hinblick auf Findung und Formulie-
rung überzeugender Argumente in der allgemeinen ideologischen De-
4 Begriff bei Zhuangzi Kap. 33, Xünzi Kap. 21 und Shiji Kap. 1 (Schlußwort).
5 Me Ti (A. Forke), Berlin 1922, Kap. 40, 5, 9, 11 u. Kap. 42,3-6.
 
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