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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 9. Abhandlung): Antike Spuren im Tübinger Wappen: zur Frage der Verwertung und Umdeutung numismatischer Motive ; vorgelegt am 13. Juni 1981 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47802#0015
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Antike Spuren im Tübinger Wappen

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eigenen kunsthandwerklichen Stil angepaßt. Aber noch die erste uns
erhaltene Ausfertigung vom Jahr 1251 (Abb. 6) zeigt durch die Herr-
scherbinde, die Bildung der Locken und den nackten, abgeschnittenen
Hals „die noch große Nähe zu dem vorauszusetzenden antiken Vor-
bild“.18 Auf ein solches weist vor allem auch die charakteristische
Nackenschleife hin19, die ihrer Form und Länge nach am ehesten an
ein spätkaiserzeitliches Kleinkunstwerk denken läßt (Abb. 7). Doch
kann man sich dabei nicht, wie früher geschehen, auf ein bestimmtes
Kaiserporträt festlegen20. Aber es läßt sich, nach Herbert Cahn’s Ver-
mutung21, etwa eine Gemme für möglich halten, die einen der Söhne
Konstantins des Großen dargestellt hätte. Dafür und überhaupt an
einen gewissen, uns aus Münzen bekannten Porträttyp der Zeit von
Diokletian bis zu den Konstantinsöhnen spricht der nackte Hals und
seine Abschlußlinie, während das hinten unter dem Diadem hervor-
quellende Haar, vielleicht auch die Bildung der Diademschleife allen-
falls auch an ein Vorbild aus der Zeit der 2. Hälfte des 4. Jhs. denken
ließe. Jedenfalls ist der spätkaiserzeitliche Typus als solcher wohl
unverkennbar. Der ganze Vorgang würde als besonders frühes Beispiel
gut den Geist der Zeit repräsentieren, der alsbald unter den Staufern
18 Kashnitz aO. I S. 55 f. mit dem Hinweis auf zwei Siegel aus Trier und Zürich
vom Ende des 12. und vom Anfang des 13. Jhs., wo ganz deutlich antike Gem-
menporträts zur Vorlage gedient haben. Sie sind besprochen ebenda unter Nr. 99
und 116 aufS. 66f. und 78 (dort der Nachweis weiterer Parallelen) mit den bildlichen
Wiedergaben Bd. II Abb. 46 (Zürich) und Bd. III Abb. 94 (Trier). Noch ein paar
ähnliche Beispiele, wo mittelalterliche Siegel auf römische Kaiserkopf-Gemmen zu-
rückgeführt werden können, bei L. Veit aO., S. 27 m. Anm. 45 auf S. 30. Weitere
Fälle, wie sie offenbar mehrfach vorkamen, registriert z. B. auch O. Posse, Die Siegel
der Wettiner . . . Bd. 1. 1888, S. 5f. m. Taf. VIII1 und IX 2; vgl. denselben, Bd. 2.
1893, Sp. 33.
19 Vgl. auch schon Haupt Graf zu Pappenheim aO. 63 unten.
20 Der gleiche Verfasser (vorige Anm.) beruft sich in einer Fortsetzung seines
Werks, Die frühen Pappenheimer Marschälle, 2. Teil der Hausgeschichte ... (Als
Manuskript gedruckt, München-Solln 1951), S. 113f. auf die Auskunft von „Münz-
kennern“, die das Vorbild auf eine Münze des Kaisers Valentinian I. (364-375) be-
ziehen wollten. Diese Vermutung dürfte jetzt, schon durch die Erwägungen und
Belege von Kashnitz aO., überholt sein. Vgl. dazu oben im Text weiterhin.
21 Diskussionsbeitrag Bem 11. 9.1979. - Es ist übrigens gerade die Münze eines der
Kaisersöhne, des Crispus, die man als frühesten Beleg angesehen hat für die Ab-
lösung der heidnischen Strahlenkrone durch das Diadem mit der Schleife - wohl
ein Entgegenkommen gegenüber der neuen Staatsreligion, dem Christentum
(vgl. die Abb. 7). Siehe dazu K. Keyssner, RE XVII 1937, Sp. 616 im Artikel
'Nimbus’, mit weiterer Literatur.
 
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