Antike Spuren im Tübinger Wappen
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teilung der nunmehr senkrecht stehenden Fahne in den weitaus
überwiegenden Fällen beibehalten: die so entstehenden drei Lätze
laufen jedoch nunmehr in Fransen aus (daß der mittlere Latz meist
länger ist als die beiden anderen, ist nichts weiter als eine Anpassung
an die Form des unten spitz zulaufenden Schildes). Der obere Rand
der Fahne im Wappenschild hängt außerdem schon früh mehrfach und
später durchwegs an drei Ringen, und in dieser Form ziert die Fahne
noch heute das Tübinger Stadtwappen (Abb. 13)32. Ringe und ausge-
franste Fahnenenden fielen der Forschung immer wieder als besondere
und singuläre Merkmale auf33 und sind bis heute nicht erklärt.
Gefühlsmäßig bezeichnet man häufig die Fahne, offenbar wegen
ihrer senkrecht hängenden Aufmachung, als 'Kirchenfahne’34, was
sorgfältigere Interpreten mit Recht energisch zurückgewiesen haben35.
32 Die beiden Arme mit den Hirschstangen über dem Wappen erscheinen erst ab
1514, als Dank des Herzogs Ulrich von Württemberg an die Stadt Tübingen für
tatkräftige Unterstützung bei der Niederwerfung des Remstäler Aufstandes.
33 So heißt es bei M. Eimer aO. S. 103: „Lehensfahne in der herkömmlichen Ge-
stalt, schon von Anfang an oft mit Fransen an den Enden der Lappen und mit
drei Ringen am oberen Rande geziert, der mittlere Lappen manchmal etwas zu-
gespitzt oder verlängert, wie es der Verjüngung des Schildes nach unten ent-
spricht.“ Vgl. a. schon G. Schöttle aO. (ob. Anm. 29), S. 54 und aO. (ob.
Anm. 26), S. 41.
34 In der Tat ist für die Kirchenfahne die senkrechte Aufhängung an waagerechter
Stange bezeichnend. Jedoch fehlt bei der Tübinger Pfalzgrafenfahne und dem
daraus entwickelten Wappensiegel jeder historische Bezug zu kirchlichen Insti-
tutionen, so daß die Bezeichnung 'Kirchenfahne’ hier irreführend ist. Die Herkunft
der 'echten’ Kirchenfahne liegt noch weithin im Dunkel. Ich halte es für am wahr-
scheinlichsten, daß sie letztlich auf Konstantins des Großen 'Labarum’ zurückgeht
(Abb. 14). Bei diesem handelt es sich um „eine aus dem Vexillum der Reiter-
truppen entwickelte Kaiserstandarte, die über dem an einer Querstange aufgehäng-
ten Fahnentuch mit den metallgetriebenen Bildern des Kaisers und seiner Söhne
das umkränzte Monogramm Christi in der Stemform trug“ (so H. Kraft in:
Rel. in Gesch. u. Gegenwart 3IV. 1960, Sp. 1105 mit Abb. 12 im Artikel 'Mono-
gramm Christi’; vgl. a. schon H. Leclercq in Cabrol’s Dictionnaire d’Archeologie
Chretienne 8.1928, Sp. 927-962). Die Etymologie von labarum ist umstritten. Das
Richtige dürfte L. J. D. Richardson, Labarum. In: Euphrosyne 5.1972, S. 415-421
treffen, wenn er das Wort von griech. Ädßpvc; 'Doppelaxt’ ableitet, wegen der Ähn-
lichkeit der schematischen Darstellung dieses uralten (bereits vorgriechischen)
religiösen Symbols t>|< mit dem Monogramm Christi .
35 Förderer aO., Eimer aO., in Frontstellung z. B. gegen Fürst Hohenlohe-W.
aO., S. 3 (bei diesem etwas eingeschränkt S. 4), von wo jene Bezeichnung auch
in die Tübinger Oberamtsbeschreibung von 1867 (Neudruck 1970) S. 270 einge-
gangen ist. Ja sogar neuere Gelehrte wie G. Schöttle aO. sowie Chr. Binder -
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teilung der nunmehr senkrecht stehenden Fahne in den weitaus
überwiegenden Fällen beibehalten: die so entstehenden drei Lätze
laufen jedoch nunmehr in Fransen aus (daß der mittlere Latz meist
länger ist als die beiden anderen, ist nichts weiter als eine Anpassung
an die Form des unten spitz zulaufenden Schildes). Der obere Rand
der Fahne im Wappenschild hängt außerdem schon früh mehrfach und
später durchwegs an drei Ringen, und in dieser Form ziert die Fahne
noch heute das Tübinger Stadtwappen (Abb. 13)32. Ringe und ausge-
franste Fahnenenden fielen der Forschung immer wieder als besondere
und singuläre Merkmale auf33 und sind bis heute nicht erklärt.
Gefühlsmäßig bezeichnet man häufig die Fahne, offenbar wegen
ihrer senkrecht hängenden Aufmachung, als 'Kirchenfahne’34, was
sorgfältigere Interpreten mit Recht energisch zurückgewiesen haben35.
32 Die beiden Arme mit den Hirschstangen über dem Wappen erscheinen erst ab
1514, als Dank des Herzogs Ulrich von Württemberg an die Stadt Tübingen für
tatkräftige Unterstützung bei der Niederwerfung des Remstäler Aufstandes.
33 So heißt es bei M. Eimer aO. S. 103: „Lehensfahne in der herkömmlichen Ge-
stalt, schon von Anfang an oft mit Fransen an den Enden der Lappen und mit
drei Ringen am oberen Rande geziert, der mittlere Lappen manchmal etwas zu-
gespitzt oder verlängert, wie es der Verjüngung des Schildes nach unten ent-
spricht.“ Vgl. a. schon G. Schöttle aO. (ob. Anm. 29), S. 54 und aO. (ob.
Anm. 26), S. 41.
34 In der Tat ist für die Kirchenfahne die senkrechte Aufhängung an waagerechter
Stange bezeichnend. Jedoch fehlt bei der Tübinger Pfalzgrafenfahne und dem
daraus entwickelten Wappensiegel jeder historische Bezug zu kirchlichen Insti-
tutionen, so daß die Bezeichnung 'Kirchenfahne’ hier irreführend ist. Die Herkunft
der 'echten’ Kirchenfahne liegt noch weithin im Dunkel. Ich halte es für am wahr-
scheinlichsten, daß sie letztlich auf Konstantins des Großen 'Labarum’ zurückgeht
(Abb. 14). Bei diesem handelt es sich um „eine aus dem Vexillum der Reiter-
truppen entwickelte Kaiserstandarte, die über dem an einer Querstange aufgehäng-
ten Fahnentuch mit den metallgetriebenen Bildern des Kaisers und seiner Söhne
das umkränzte Monogramm Christi in der Stemform trug“ (so H. Kraft in:
Rel. in Gesch. u. Gegenwart 3IV. 1960, Sp. 1105 mit Abb. 12 im Artikel 'Mono-
gramm Christi’; vgl. a. schon H. Leclercq in Cabrol’s Dictionnaire d’Archeologie
Chretienne 8.1928, Sp. 927-962). Die Etymologie von labarum ist umstritten. Das
Richtige dürfte L. J. D. Richardson, Labarum. In: Euphrosyne 5.1972, S. 415-421
treffen, wenn er das Wort von griech. Ädßpvc; 'Doppelaxt’ ableitet, wegen der Ähn-
lichkeit der schematischen Darstellung dieses uralten (bereits vorgriechischen)
religiösen Symbols t>|< mit dem Monogramm Christi .
35 Förderer aO., Eimer aO., in Frontstellung z. B. gegen Fürst Hohenlohe-W.
aO., S. 3 (bei diesem etwas eingeschränkt S. 4), von wo jene Bezeichnung auch
in die Tübinger Oberamtsbeschreibung von 1867 (Neudruck 1970) S. 270 einge-
gangen ist. Ja sogar neuere Gelehrte wie G. Schöttle aO. sowie Chr. Binder -