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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 9. Abhandlung): Antike Spuren im Tübinger Wappen: zur Frage der Verwertung und Umdeutung numismatischer Motive ; vorgelegt am 13. Juni 1981 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47802#0020
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Hildebrecht Hommel

Richtig hat man dagegen die rote Fahne auf gelbem Grund als Lehens-
fahne erklärt, wie sie den Pfalzgrafen als Zeichen ihres militärischen
Rangs und ihrer die Gerichtsbarkeit einschließenden Herrschaft
verliehen worden sei36. Aber auch wenn das zutrifft, so ist die mit
ihrer Verwendung als Wappen verbundene Senkrechtstellung damit
weder bezeichnet noch erklärt37. Wenn die Forschung beim Tübinger
Jul. Ebner, Württembergische Münz- und Medaillen-Kunde 21904ff. II 2 (nach
1912), S. 109. 152 u. ö. ('1846, S. 390, Anm. 16) sprechen ständig von einer „Kir-
chenfahne“; Ebner bemerkt aber wenigstens (S. 109) im Hinblick auf L. Schmid
und Ferd. Gull: „Von anderen wird sie als eine Dynastenfahne erklärt, wie sie mit
der Pfalzgrafschaft verliehen wurde.“ In der Tat hatte sich bereits 1853 Ludw.
Schmid in seiner Geschichte der Pfalzgrafen von Tübingen (S. 6052) wesentlich
vorsichtiger geäußert: „deren Wappen, die Fahne, ... Obgleich dieselbe die
Form einer jetzigen Kirchen-(Prozessions-)Fahne hat, bezeichnet sie doch ur-
sprünglich ohne Zweifel das Befehlshaber-Amt über das kaiserliche Aufgebot
der Pfalzgrafenschaft.“ Kurioserweise hat man von dem „Banner“ der Tübinger
Pfalzgrafen wie von dem ganz ähnlichen der Grafen von Auvergne (s. dazu
unten) behauptet, daß damit die letztgenannten als Fahnenträger des Königs von
Frankreich, jene in der gleichen Funktion beim deutschen Kaiser aufgetreten
seien (!), so L. Jequier aO., S. 171, Anm. 39 (seine Berufung dort auf H. Horst-
mann aO., S. 71 darf nicht auf diese spezielle Deutung bezogen werden). Hier
scheint eine Vermengung des 'Gonfanon’ mit der französischen Auriflamme einer-
seits, der deutschen Reichssturmfahne andererseits vorzuliegen. Gewiß können
beide als 'Gonfanon’ bezeichnet werden, aber die Umkehrung gilt keineswegs
ohne weiteres.
36 Förderer aO., Eimer aO. Vgl. schon L. Schmid aO. (siehe die vorige Anm.).
Horstmann aO. S. 55 u. 60f. Ben. Bilgeri, Gesch. Vorarlbergs I 1971, S. 153.
Zur fundamentalen Wichtigkeit der Grafenfahne für ihren Besitzer schon in früher
Zeit, sowohl in seiner militärischen Eigenschaft wie als Herrschaftsträger, teüt mir
Heinz Löwe freundlich eine Stelle aus der Chronik des Thietmar von Merseburg
mit. Da verliert i. J. 1002 der Graf Gerhard vom Elsaß (Schwager der Königin
Kunigunde) bei Belagerung einer schwäbisch-alemannischen Burg durch List
eines der Eingeschlossenen seine vor dem Zelt aufgestellte Lanzenfahne: Chronik
V 21 (13) ed. Rob. Holtzmann (lanceam, quam beneficium ducis[= Lehen] comes idem
acceperat a rege). Weiter heißt es da: Qui ... tristis abiit, tarn vacuus a beneficio
quam a militari signo. Der Graf hat also die Belagerung aufgegeben und ist
durch den Verlust der Fahne sowohl als militärischer Befehlshaber wie als Lehens-
träger des Königs im Mark getroffen. Wohl etwas einseitig bezeichnet F. Quarthal
aO. 12 die dreiteilige Latzfahne nur als „Gerichtsfahne“ schlechthin; doch steht sie in
der Tat auch für die „übergreifende Gerichtsbarkeit“ ihrer Inhaber „innerhalb
des Herzogtums Schwaben“ (Quarthal ebenda).
37 Daß sich eine waagerecht stehende Fahne unverändert in ihrer Richtung auch als
Wappenbild verwenden läßt, beweist das Wappen des Bistums Würzburg, das auf
blauem Grund ein silbern-rot gevierteltes Fähnchen am Schaft zeigt, das lediglich
zur Einpassung in den Schild etwas schräggestellt ist (Jequier aO., Abb. 414 auf
 
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